Entscheidungsstichwort (Thema)
Dreidimensionale Marke. Verordnung (EG) Nr. 40/94. Art. 51 Abs. 1 Buchst. b. Für die Beurteilung der ‚Bösgläubigkeit’. des Antragstellers bei der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke erhebliche Kriterien
Beteiligte
Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli |
Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG |
Tenor
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Anmelder im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke bösgläubig ist, ist das nationale Gericht gehalten, alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die dem von ihm zu entscheidenden Fall eigen sind und zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke vorliegen, insbesondere
- die Tatsache, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter in mindestens einem Mitgliedstaat ein gleiches oder ähnliches Zeichen für eine gleiche oder mit dem angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnliche Ware verwendet,
- die Absicht des Anmelders, diesen Dritten an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern, sowie
- den Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des Dritten und das angemeldete Zeichen genießen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 2. Oktober 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 28. November 2007, in dem Verfahren
Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG
gegen
Franz Hauswirth GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter), A. Tizzano, E. Levits und J.-J. Kasel,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG, vertreten durch die Rechtsanwälte H.-G. Kamann und G. K. Hild,
- der Franz Hauswirth GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt H. Schmidt,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und A. Engman als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Krämer als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. März 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG (im Folgenden: Lindt & Sprüngli) mit Sitz in der Schweiz und der Franz Hauswirth GmbH (im Folgenden: Franz Hauswirth) mit Sitz in Österreich.
Rz. 3
Mit ihrer Klage wegen Markenverletzung begehrt Lindt & Sprüngli von Franz Hauswirth im Wesentlichen, es zu unterlassen, im Gebiet der Europäischen Union Schokoladenhasen herzustellen oder zu vermarkten, die dem durch ihre dreidimensionale Gemeinschaftsmarke (im Folgenden: fragliche dreidimensionale Marke) geschützten Hasen verwechselbar ähnlich sind.
Rz. 4
Franz Hauswirth beantragte im Wege der Widerklage die Nichtigerklärung dieser Marke und vertritt im Wesentlichen die Auffassung, sie könne nach Art. 51 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 als Marke nicht geschützt werden, weil Lindt & Sprüngli bei der Anmeldung dieser Marke bösgläubig gewesen sei.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 5
Unter der Überschrift „Absolute Nichtigkeitsgründe” bestimmt Art. 51 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94:
„Die Gemeinschaftsmarke wird auf Antrag beim [Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)] oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt,
…
b) wenn der Anmelder bei der Anmeldung der Marke bösgläubig war.
…”
Rz. 6
Die Verordnung Nr. 40/94 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) aufgehoben, die am 13. April 2009 in Kraft getreten ist. Im Ausgangsrechtsstreit findet jedoch in Anbetracht des für den Sachverhalt maßgeblichen Zeitpunkts weiterhin die Verordnung Nr. 40/94 Anwendung.
Nationales Recht
Rz. 7
§ 34 Abs. 1 des Markenschutzgesetzes (BGBl 1970/260) in seiner im BGBl I 1999/111 veröffentlichten Fassung bestimmt:
„Jedermann kann die Löschung einer Marke begehren, wenn der Anmelder bei der Anmeldung bösgläubig war.”
Rz. 8
Nach § 9 Abs. 3 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (BGBl 1984/448) in seiner im BGBl I 2001/136 veröffentlichten Fassung werden Ausstattungen von Waren, ihre Verpackung oder Umhüllung gleich der besonderen Bezeichnung eines Unternehmens geschützt, wenn sie innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen des Unternehmens gelten.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Rz. 9
Schokoladenhasen, gemeinhin...