Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Verkehr. Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft. Unabhängigkeit der Stelle, die mit der Ausübung wesentlicher Funktionen betraut ist

 

Normenkette

Richtlinie 91/440/EWG Art. 6 Abs. 3; Richtlinie 2001/14/EG Art. 14 Abs. 2

 

Beteiligte

Kommission / Luxemburg

Europäische Kommission

Großherzogtum Luxemburg

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingegangen am 5. August 2011,

Europäische Kommission, vertreten durch J.-P. Keppenne und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch C. Schiltz als Bevollmächtigten,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), E. Levits, J.-J. Kasel und der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Dezember 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klageschrift beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl. L 237, S. 25) in der durch die Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 (ABl. L 315, S. 44) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/440) und aus Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. L 75, S. 29) in der durch die Richtlinie 2007/58 geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/14) verstoßen hat, dass es nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Stelle, die mit der Ausübung einer wesentlichen Funktion nach Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440 betraut ist, von dem Unternehmen unabhängig ist, das die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

Im Februar 2001 wurden drei Richtlinien erlassen, um den Eisenbahnverkehr durch eine schrittweise Öffnung für den Wettbewerb auf europäischer Ebene neu zu beleben, nämlich die Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 91/440 (ABl. L 75, S. 1), die Richtlinie 2001/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen (ABl. L 75, S. 26) und die Richtlinie 2001/14 (im Folgenden zusammen: erstes Eisenbahnpaket).

Die Richtlinie 91/440

Rz. 3

Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 91/440 bestimmte:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Funktionen nach Anhang II, die für einen gerechten und nichtdiskriminierenden Zugang zur Infrastruktur ausschlaggebend sind, an Stellen oder Unternehmen übertragen werden, die selbst keine Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen. Ungeachtet der Organisationsstrukturen ist der Nachweis zu erbringen, dass dieses Ziel erreicht worden ist.

Die Mitgliedstaaten können jedoch Eisenbahnunternehmen oder jeder anderen Stelle die Erhebung von Entgelten und die Verantwortung für die Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur übertragen, wozu Investitionen, Wartung und Finanzierung gehören.”

Rz. 4

Anhang II dieser Richtlinie hatte folgenden Wortlaut:

„Verzeichnis der wesentlichen Funktionen nach Artikel 6 Absatz 3:

  • Vorarbeiten und Entscheidungen über die Zulassung von Eisenbahnunternehmen, einschließlich der Gewährung einzelner Genehmigungen;
  • Entscheidungen über die Trassenzuweisung, einschließlich sowohl der Bestimmung als auch der Beurteilung der Verfügbarkeit und der Zuweisung von einzelnen Zugtrassen;
  • Entscheidungen über die Wegeentgelte;
  • Überwachung der Einhaltung von Verpflichtungen zur Bereitstellung bestimmter Dienstleistungen für die Allgemeinheit.”

Die Richtlinie 2001/14

Rz. 5

Art. 14 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/14 bestimmte:

„(1) Die Mitgliedstaaten können eine Rahmenregelung für die Zuweisung von Fahrwegkapazität schaffen, sofern dabei die Unabhängigkeit der Geschäftsführung gemäß Artikel 4 der Richtlinie 91/440/EWG gewahrt wird. Es werden spezifische Regeln für die Zuweisung von Fahrwegkapazität festgelegt. Der Betreiber der Infrastruktur führt die Verfahren zur Zuweisung von Fahrwegkapazität durch. Insbesondere gewährleistet der Betreiber der Infrastruktur, dass die Fahrwegkapazität auf gerechte und nichtdiskriminierende Weise unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts zugewiesen wird.

(2) Ist der Betreiber der Infrastruktur rechtlich, organisa...

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