Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Aufträge. Auslegung und Gültigkeit. Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge. Unwirksamkeit des Vertrags. Ausschluss
Normenkette
Richtlinie 89/665/EWG Art. 2d Abs. 4
Beteiligte
Tenor
1. Art. 2d Abs. 4 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass, wenn ein öffentlicher Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben wird, obwohl dies nach der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge nicht zulässig war, diese Bestimmung es ausschließt, dass der Auftrag für unwirksam erklärt wird, wenn die Voraussetzungen der genannten Bestimmung erfüllt sind, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
2. Die Prüfung der zweiten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 2d Abs. 4 der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 2007/66 geänderten Fassung beeinträchtigen könnte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 14. Dezember 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Januar 2013, in dem Verfahren
Ministero dell'Interno
gegen
Fastweb SpA,
Beteiligte:
Telecom Italia SpA,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter E. Juhász, A. Rosas, D. Šváby und C. Vajda (Berichterstatter),
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2014,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Fastweb SpA, vertreten durch P. Stella Richter und G.-L. Tosato, avvocati,
- der Telecom Italia SpA, vertreten durch F. Cardarelli, F. Lattanzi und F. S. Cantella, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte, im Beistand von G. Fiengo, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, M. Szwarc und E. Gromnicka als Bevollmächtigte,
- des Europäischen Parlaments, vertreten durch J. Rodrigues und L. Visaggio als Bevollmächtigte,
- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch P. Mahnič Bruni und A. Vitro als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Pignataro-Nolin und A. Tokár als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. April 2014,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung und die Gültigkeit von Art. 2d Abs. 4 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (ABl. L 335, S. 31) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Ministero dell'Interno, Dipartimento di Pubblica Sicurezza (Innenministerium, Abteilung für öffentliche Sicherheit, im Folgenden: Ministero dell'Interno) und der Fastweb SpA (im Folgenden: Fastweb) über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an die Telecom Italia SpA (im Folgenden: Telecom Italia) über die Lieferung elektronischer Kommunikationsdienstleistungen im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2007/66
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 3, 13, 14, 21, 26 und 36 der Richtlinie 2007/66 heißt es:
„(3) [D]ie mit [den Richtlinien 89/665 und 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 76, S. 14)] angestrebten Garantien im Hinblick auf Transparenz und Nichtdiskriminierung [sollten] verstärkt werden, um zu gewährleisten, dass die positiven Effekte der Modernisierung und Vereinfachung der Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen im Rahmen der Richtlinien 2004/18/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und ...