Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Anwendungsbereich. Verleumdungsklage

 

Normenkette

Richtlinie 2000/31/EG

 

Beteiligte

Papasavvas u.a

Sotiris Papasavvas

O Fileleftheros Dimosia Etaireia Ltd

Takis Kounnafi

Giorgos Sertis

 

Tenor

1. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Dienste der Informationsgesellschaft” im Sinne dieser Bestimmung Online-Informationsdienste umfasst, für die der Anbieter nicht vom Nutzer, sondern durch die Einnahmen aus der auf einer Website verbreiteten Werbung vergütet wird.

2. Die Richtlinie 2000/31 steht in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens der Anwendung einer Regelung zivilrechtlicher Verantwortlichkeit wegen Verleumdung nicht entgegen.

3. Die in den Art. 12 bis 14 der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen Beschränkungen der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit erfassen nicht den Fall einer Presseverlagsgesellschaft, die über eine Website verfügt, auf der die elektronische Fassung einer Zeitung veröffentlicht wird, und die durch die Einnahmen aus der auf dieser Website verbreiteten kommerziellen Werbung vergütet wird, da sie von den veröffentlichten Informationen Kenntnis hat und eine Kontrolle über sie ausübt; dies gilt unabhängig davon, ob der Zugang zu dieser Website unentgeltlich oder kostenpflichtig ist.

4. Die in den Art. 12 bis 14 der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen Beschränkungen der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit können im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Privaten wegen zivilrechtlicher Verantwortlichkeit für eine Verleumdung Anwendung finden, sofern die in diesen Artikeln genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

5. Die Art. 12 bis 14 der Richtlinie 2000/31 ermöglichen es dem Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft nicht, die Erhebung einer Klage wegen zivilrechtlicher Verantwortlichkeit gegen ihn und damit den Erlass einstweiliger Anordnungen durch ein nationales Gericht zu verhindern. Die in diesen Artikeln vorgesehenen Beschränkungen der Verantwortlichkeit können vom Diensteanbieter gemäß den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts zur Umsetzung der Richtlinie oder in Ermangelung dessen für die Zwecke einer richtlinienkonformen Auslegung dieses Rechts geltend gemacht werden. Dagegen kann die Richtlinie 2000/31 im Rahmen eines Rechtsstreits wie dem des Ausgangsverfahrens nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Eparchiako Dikastirio Lefkosias (Zypern) mit Entscheidung vom 27. März 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Mai 2013, in dem Verfahren

Sotiris Papasavvas

gegen

O Fileleftheros Dimosia Etaireia Ltd,

Takis Kounnafi,

Giorgos Sertis

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Papasavvas, vertreten durch C. Christaki, dikigoros,
  • der O Fileleftheros Dimosia Etaireia Ltd, vertreten durch L. Paschalidis, dikigoros,
  • der zyprischen Regierung, vertreten durch K. Lykourgos als Bevollmächtigten,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und F. Wilman als Bevollmächtigte,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. L 178, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Papasavvas auf der einen und der O Fileleftheros Dimosia Etaireia Ltd, Herrn Kounnafi und Herrn Sertis auf der anderen Seite wegen einer von Herrn Papasavvas erhobenen Klage auf Ersatz des Schadens, der ihm infolge von den Tatbestand einer Verleumdung erfüllenden Handlungen entstanden sein soll.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31 heißt es:

„Das Gemeinschaftsrecht enthält … bereits eine Definition der Dienste der Informationsgesellschaft. Diese Definition umfasst alle Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt im Fernabsatz mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten … erb...

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