Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumsverwaltung, freiberufliche Tätigkeit, ermäßigter Steuersatz, Luxemburg
Leitsatz (amtlich)
Es obliegt jedem Mitgliedstaat, unter Beachtung des Grundsatzes der Mehrwertsteuerneutralität die Umsätze zu bestimmen und zu definieren, auf die bis zum 31. Dezember 1992 ein ermäßigter Steuersatz nach Artikel 12 Absatz 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage anwendbar war und seit dem 1. Januar 1993 ein ermäßigter Steuersatz nach Artikel 28 Absatz 2 Buchstabe e dieser Richtlinie in der Fassung der Richtlinie 92/77/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zurErgänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388 (Annäherung der MWSt.- Sätze) anwendbar ist.
Die in Anhang F Nummer 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 erwähnten freien Berufe sind Tätigkeiten, die ausgesprochen intellektuellen Charakter haben, eine hohe Qualifikation verlangen und gewöhnlich einer genauen und strengen berufsständischen Regelung unterliegen. Bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit hat das persönliche Element besondere Bedeutung, und diese Ausübung setzt auf jeden Fall eine große Selbständigkeit bei der Vornahme der beruflichen Handlungen voraus.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 12 Abs. 4, Art. 28 Abs. 2 Buchst. e; EWGRL 388/77 Anh. F Nr. 2
Beteiligte
Christiane Adam, verheiratete Urbing |
Administration de l'enregistrement et des domaines |
Verfahrensgang
Tribunal d' arrondissement de Luxembourg (Luxemburg) |
Tatbestand
Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Begriff des freien Berufes - Wohnungseigentumsverwalter
In der Rechtssache C-267/99
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunal d'arrondissement Luxemburg (Luxemburg) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Christiane Adam, verheiratete Urbing,
gegen
Administration de l'enregistrement et des domaines
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Anhangs F Nummer 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin N. Colneric sowie der Richter V. Skouris (Berichterstatter) und J. N. Cunha Rodrigues,
Generalanwalt: A. Tizzano
Kanzler: R. Grass
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Frau Urbing-Adam, vertreten durch F. Entringer, avocat,
- der Administration de l'enregistrement et des domaines, vertreten durch A. Kronshagen, avocat,
- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und G. Berscheid als Bevollmächtigte,
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. März 2001,
folgendes
Urteil
1. Das Tribunal d'arrondissement Luxemburg hat mit Urteil vom 15. Juli 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Juli 1999, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung des Anhangs F Nummer 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem:einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Urbing-Adam, einer Wohnungseigentumsverwalterin, und der luxemburgischen Administration de l'enregistrement et des domaines (Register- und Domänenverwaltung, im Folgenden: Verwaltung) wegen des Mehrwertsteuersatzes, der auf die von Frau Urbing-Adam im Rahmen ihres Berufes in den Steuerjahren 1991 und 1994 bewirkten Umsätze anzuwenden ist.
Rechtlicher Rahmen
Die Sechste Richtlinie
Die Vorschriften der Sechsten Richtlinie, die auf den Begriff freier Beruf Bezug nehmen
3. Nach Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie können die Mitgliedstaaten während der Übergangszeit die in Anhang F aufgeführten Umsätze unter den in den Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen weiterhin befreien.
4. Anhang F Nummer 2 der Sechsten Richtlinie erwähnt den Begriff des freien Berufes. Diese Bestimmung lautet:
Dienstleistungen der Autoren, Künstler und Interpreten von Kunstwerken sowie Dienstleistungen von Rechtsanwälten und Angehörigen anderer freier Berufe, mit Ausnahme der ärztlichen oder arztähnlichen Heilberufe, soweit es sich nicht um Leistungen im Sinne des Anhangs B der zweiten Richtlinie des Rates vom 11. April 1967 handelt.
Die Vorschriften der Sechsten Richtlinie über die Steuersätze
5. In seiner vor dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung bestimmte Artikel 12 der Sechsten Richtli...