Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Art. 56 EG und 43 EG. Freier Kapitalverkehr. Vom portugiesischen Staat an EDP gehaltene Sonderaktien (‚golden shares’). Energias de Portugal. Beschränkungen beim Erwerb von Beteiligungen und Eingriff in die Verwaltung einer privatisierten Gesellschaft
Beteiligte
Tenor
1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 EG verstoßen, dass sie an EDP – Energias de Portugal Sonderrechte wie die im vorliegenden Fall im Gesetz Nr. 11/90 vom 5. April 1990 betreffend das Rahmengesetz über Privatisierungen (Lei n.° 11/90, Lei Quadro das Privatizações), in der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 141/2000 vom 15. Juli 2000 zur Genehmigung der vierten Phase des Reprivatisierungsprozesses des Gesellschaftskapitals von EDP – Energias de Portugal SA und in der Satzung dieser Gesellschaft zugunsten des portugiesischen Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen vorgesehenen, die in Verbindung mit vom Staat gehaltenen Sonderaktien („golden shares”) am Gesellschaftskapital dieses Unternehmens gewährt werden, aufrechterhalten hat.
2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 4. Dezember 2008,
Europäische Kommission, vertreten durch G. Braun, P. Guerra e Andrade und M. Teles Romão als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes im Beistand von C. Botelho Moniz und P. Gouveia e Melo, advogados,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, M. Ilešič und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2010,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 56 EG und 43 EG verstoßen hat, dass sie Sonderrechte des portugiesischen Staates an EDP – Energias de Portugal (im Folgenden: EDP) aufrechterhält, die in Verbindung mit von diesem Staat gehaltenen Sonderaktien („golden shares”) gewährt werden.
Rechtlicher Rahmen
Nationales Recht
Rz. 2
Art. 13 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 11/90 betreffend das Rahmengesetz über Privatisierungen (Lei n.° 11/90, Lei Quadro das Privatizações) vom 5. April 1990 (Diário da República I, Serie A, Nr. 80, vom 5. April 1990; im Folgenden: LQP) sieht vor:
„Bei Reprivatisierungen, die durch einen Aufruf zum Wettbewerb, ein Angebot an der Wertpapierbörse oder eine öffentliche Zeichnung erfolgen, können natürliche oder juristische Personen nicht mehr als einen bestimmten, auch in der Regelung, auf die sich Art. 4 Abs. 1 bezieht, definierten Prozentsatz des zu reprivatisierenden Kapitals erwerben oder zeichnen; Zuwiderhandlungen werden nach Maßgabe des Vorzusehenden durch Zwangsverkauf der dieses Limit überschreitenden Aktien, den Verlust des durch diese Aktien verliehenen Stimmrechts oder Nichtigkeit geahndet.”
Rz. 3
Insoweit sehen die ausführenden gesetzesvertretenden Verordnungen über die Reprivatisierung von EDP, insbesondere die gesetzesvertretenden Verordnungen Nr. 78-A/97 vom 7. April 1997 zur Genehmigung der ersten Phase des Reprivatisierungsprozesses des Gesellschaftskapitals von EDP – Electricidade de Portugal SA (Diário da República I, Serie A, Nr. 81, vom 7. April 1997), Nr. 94-C/98 vom 17. April 1998 zur Genehmigung der dritten Phase des Reprivatisierungsprozesses des Gesellschaftskapitals von EDP – Electricidade de Portugal SA (Diário da República I, Serie A, Nr. 90, vom 17. April 1998) und Nr. 141/2000 vom 15. Juli 2000 zur Genehmigung der vierten Phase des Reprivatisierungsprozesses des Gesellschaftskapitals von EDP – Electricidade de Portugal SA (Diário da República I, Serie A, Nr. 162, vom 15. Juli 2000) in ihrem jeweiligen Art. 9 Abs. 1 vor:
„Keine natürliche oder juristische Person kann im Rahmen der in der vorliegenden gesetzesvertretenden Verordnung vorgesehenen Geschäfte Aktien erwerben, die einen 5 % übersteigenden Anteil am Gesellschaftskapital von EDP darstellen; Erwerbsgebote, die über dieses Limit hinausgehen, werden entsprechend herabgesetzt.”
Rz. 4
Nach Art. 384 Abs. 2 des portugiesischen Gesetzbuchs über Handelsgesellschaften (im Folgenden: CSC) können die Satzungen dieser Gesellschaften
- „vorsehen, dass eine bestimmte Anzahl Aktien nur einer Stimme entspricht, wenn alle von der Gesellschaft ausgegebenen Aktien berücksichtigt werden, und dass auf je 1 000 Euro wenigstens eine Stimme entfällt;
- vorsehen, dass d...