Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Diskriminierung wegen des Alters. Nationale Regelung, die die Anrechnung der vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Schulzeiten und Zeiten der Berufserfahrung bei der Festsetzung des Gehalts von der Verlängerung der Vorrückungszeiträume abhängig macht. Rechtfertigung. Eignung, das angestrebte Ziel zu erreichen. Möglichkeit, die Verlängerung der Vorrückungszeiträume anzufechten
Normenkette
Richtlinie 2000/78/EG Art. 2 Abs. 1, 2 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1
Beteiligte
Bundesministerin für Inneres |
Tenor
1. Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach zur Beendigung einer Diskriminierung wegen des Alters Schulzeiten und Zeiten der Berufserfahrung, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt wurden, berücksichtigt werden, aber für die von dieser Diskriminierung betroffenen Beamten zugleich eine Verlängerung des für die Vorrückung von der jeweils ersten in die jeweils zweite Gehaltsstufe jeder Verwendungs- bzw. Entlohnungsgruppe erforderlichen Zeitraums um drei Jahre eingeführt wird.
2. Die Art. 9 und 16 der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass ein Beamter, der durch die Art der Festsetzung seines Vorrückungsstichtags eine Diskriminierung wegen des Alters erlitten hat, die Möglichkeit haben muss, unter Berufung auf Art. 2 der Richtlinie 2000/78 die diskriminierenden Wirkungen der Verlängerung der Vorrückungszeiträume anzufechten, auch wenn dieser Stichtag auf seinen Antrag hin neu festgesetzt wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 16. September 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Oktober 2013, in dem Verfahren
Leopold Schmitzer
gegen
Bundesministerin für Inneres
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, L. Bay Larsen, T. von Danwitz, C. Vajda und S. Rodin, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász, A. Borg Barthet, J. Malenovský, A. Arabadjiev (Berichterstatter), M. Safjan und F. Biltgen,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und der Art. 2, 6 Abs. 1 und 16 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Schmitzer und der Bundesministerin für Inneres wegen der Rechtmäßigkeit des beamtenrechtlichen Besoldungssystems, das der österreichische Gesetzgeber erlassen hat, um eine Diskriminierung wegen des Alters abzustellen.
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 2000/78
Rz. 3
Nach Art. 1 der Richtlinie 2000/78 ist ihr Zweck „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten”.
Rz. 4
Art. 2 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz’, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.
(2) Im Sinne des Absatzes 1
- liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
…”
Rz. 5
Nach ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c gilt die Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, u. a. in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts.
Rz. 6
In Art. 6 der Richtlinie 2000/78 heißt es:
„(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern si...