Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verarbeitung personenbezogener Daten. Sammlung und Aufbewahrung von Kopien von Ausweisdokumenten durch einen Anbieter von Mobiltelekommunikationsdiensten. Begriff der ‚Einwilligung’ der betroffenen Person. Willensbekundung ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage. Einwilligungserklärung mittels Ankreuzkästchen. Unterzeichnung des Vertrags durch die betroffene Person. Beweislast
Normenkette
Richtlinie 95/46/EG Art. 7 Buchst. a, Art. 2 Buchst. h
Beteiligte
Autoritatea Naţională de Supraveghere a Prelucrării Datelor cu Caracter Personal (ANSPDCP) |
Tenor
Art. 2 Buchst. h und Art. 7 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr sowie Art. 4 Nr. 11 und Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sind dahin auszulegen, dass es dem für die Verarbeitung von Daten Verantwortlichen obliegt, nachzuweisen, dass die betroffene Person ihre Einwilligung in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch aktives Verhalten bekundet hat und dass sie vorher eine Information über alle Umstände im Zusammenhang mit dieser Verarbeitung in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache erhalten hat, die sie in die Lage versetzt, die Konsequenzen dieser Einwilligung leicht zu ermitteln, so dass gewährleistet ist, dass die Einwilligung in voller Kenntnis der Sachlage erteilt wird. Ein Vertrag über die Erbringung von Telekommunikationsdiensten, der die Klausel enthält, dass die betroffene Person über die Sammlung und die Aufbewahrung einer Kopie ihres Ausweisdokuments mit Identifikationsfunktion informiert worden ist und darin eingewilligt hat, ist nicht als Nachweis dafür geeignet, dass diese Person ihre Einwilligung in die Sammlung und Aufbewahrung dieser Dokumente im Sinne dieser Bestimmungen gültig erteilt hat, wenn
- das Kästchen, das sich auf diese Klausel bezieht, von dem für die Verarbeitung der Daten Verantwortlichen vor Unterzeichnung dieses Vertrags angekreuzt worden ist oder wenn
- die Vertragsbestimmungen dieses Vertrags die betroffene Person über die Möglichkeit, den Vertrag abzuschließen, auch wenn sie sich weigert, in die Verarbeitung ihrer Daten einzuwilligen, irreführen können oder wenn
- die freie Entscheidung, sich dieser Sammlung und Aufbewahrung zu widersetzen, von diesem Verantwortlichen ungebührlich beeinträchtigt wird, indem verlangt wird, dass die betroffene Person zur Verweigerung ihrer Einwilligung ein zusätzliches Formular unterzeichnet, in dem diese Weigerung zum Ausdruck kommt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunalul Bucureşti (Landgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 14. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Januar 2019, in dem Verfahren
Orange România SA
gegen
Autoritatea Naţională de Supraveghere a Prelucrării Datelor cu Caracter Personal (ANSPDCP)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter T. von Danwitz (Berichterstatter) und P. G. Xuereb,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Orange România SA, vertreten durch D.-D. Dascălu, A.-M. Iordache und I. Buga, avocaţi,
- der Autoritatea Naţională de Supraveghere a Prelucrării Datelor cu Caracter Personal (ANSPDCP), vertreten durch A. G. Opre und I. Ilie als Bevollmächtigte,
- der rumänischen Regierung, zunächst vertreten durch E. Gane, O.-C. Ichim, L. Liţu und C.-R. Canţăr, dann durch E. Gane, O.-C. Ichim und L. Liţu als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, zunächst vertreten durch J. Schmoll und G. Hesse, dann durch J. Schmoll als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, P. Barros da Costa, L. Medeiros und I. Oliveira als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Kranenborg, D. Nardi und L. Nicolae als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. März 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (A...