Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerb. Verhängung von Sanktionen im Fall der Unternehmensnachfolge. Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit. Einrichtungen, die derselben öffentlichen Stelle unterstehen. Nationales Recht, das als Auslegungsgrundlage auf das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft verweist. Vorabentscheidungsverfahren. Zuständigkeit des Gerichtshofs
Beteiligte
Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato |
Ente tabacchi italiani – ETI SpA |
Philipp Morris Products SA |
Philip Morris Products Inc |
Philip Morris International Management SA |
Amministrazione autonoma dei monopoli di Stato |
Tenor
Die Art. 81 ff. EG sind in dem Sinne auszulegen, dass in einem Fall, in dem eine Verhaltensweise, die eine einheitliche Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln darstellt, von einer Einrichtung, die einer öffentlichen Stelle untersteht, begangen und dann von einer anderen, derselben öffentlichen Stelle unterstehenden Einrichtung bis zum Abschluss fortgeführt wird, wobei die zweitgenannte Einrichtung Rechtsnachfolgerin der erstgenannten Einrichtung ist und diese noch besteht, der zweitgenannten Einrichtung wegen der gesamten Zuwiderhandlung Sanktionen auferlegt werden können, sofern nachgewiesen ist, dass beide Einrichtungen der Aufsicht der genannten Stelle unterstehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 8. November 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juni 2006, in den Verfahren
Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato
gegen
Ente tabacchi italiani – ETI SpA,
Philipp Morris Products SA,
Philip Morris Holland BV,
Philip Morris GmbH,
Philip Morris Products Inc.,
Philip Morris International Management SA
und
Philip Morris Products SA,
Philip Morris Holland BV,
Philip Morris GmbH,
Philip Morris Products Inc.,
Philip Morris International Management SA
gegen
Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato,
Ente tabacchi italiani – ETI SpA
und
Philip Morris Products SA,
Philip Morris Holland BV,
Philip Morris GmbH,
Philip Morris Products Inc.,
Philip Morris International Management SA
gegen
Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato,
Beklagter
Ente tabacchi italiani – ETI SpA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts, G. Arestis und U. Lõhmus sowie der Richter E. Juhász, A. Borg Barthet, M. Ilešič (Berichterstatter), J. Klučka, E. Levits und A. Ó Caoimh,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Ente tabacchi italiani – ETI SpA, vertreten durch S. D'Alberti, A. Clarizia und L. D'Amario, avvocati,
- der Philip Morris Products SA, Philip Morris Holland BV, Philip Morris GmbH, Philip Morris Products Inc. und Philip Morris International Management SA, vertreten durch L. Di Via, C. Tesauro und P. Leone, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Bragulia und F. Arena als Bevollmächtigte im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Castillo de la Torre und V. Di Bucci als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 3. Juli 2007
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 81 ff. EG und der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato (Wettbewerbs- und Kartellbehörde, im Folgenden: Autorità), der Ente tabacchi italiani – ETI SpA, der Philip Morris Products SA, der Philip Morris Holland BV, der Philip Morris GmbH, der Philip Morris Products Inc. und der Philip Morris International Management SA (die fünf Letztgenannten zusammen im Folgenden: Gesellschaften der Philip-Morris-Gruppe) sowie der Amministrazione autonoma dei monopoli di Stato (Selbständige Verwaltungsstelle für Staatsmonopole, im Folgenden: AAMS) betreffend eine Absprache über den Verkaufspreis von Zigaretten.
Rechtlicher Rahmen
3 Im italienischen Recht enthält die Legge n. 287, norme per la tutela della concorrenza e del mercato (Gesetz Nr. 287 über die Vorschriften für den Schutz des Wettbewerbs und des Marktes), vom 10. Oktober 1990 (GURI Nr. 240 vom 13. Oktober 1990, S. 3, im Folgenden: Gesetz Nr. 287/1990) in Titel I insbesondere folgende Bestimmungen:
„Artikel 1
(1) Die Vorschriften dieses gemäß Art. 41 der Verfassung zum Schutz und zur Gewährleistung des Rechts auf wirtschaftliche Initiative erlassenen Gesetzes gelten für Kartelle, Missbräuche einer beherrschenden Stellung und Unternehmenskonzentrationen, die nicht in den Anwendungsbereich der Art. 65 und/oder 66 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für ...