Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel. Kartelle. Europäischer Markt für Tierfutterphosphate. Zuweisung von Absatzquoten, Preisabsprachen, Absprachen über die Verkaufsbedingungen und Austausch sensibler Geschäftsinformationen. Rückzug der Rechtsmittelführerinnen vom Vergleichsverfahren. Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Schutz des berechtigten Vertrauens und der Gleichbehandlung. Angemessene Verfahrensdauer

 

Beteiligte

Timab Industries und CFPR / Kommission

Europäische Kommission

Timab Industries

Cie financière et de participations Roullier (CFPR)

 

Tenor

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Timab Industries und die Cie financière et de participations Roullier (CFPR) tragen die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 27. Juli 2015,

Timab Industries mit Sitz in Dinard (Frankreich), vertreten durch N. Lenoir, avocate au barreau de Paris,

Cie financière et de participations Roullier (CFPR) mit Sitz in Saint-Malo (Frankreich), vertreten durch N. Lenoir, avocate au barreau de Paris,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch C. Giolito und B. Mongin als Bevollmächtigte im Beistand von N. Coutrelis, avocate au barreau de Paris, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. Berger (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Juli 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Rechtsmittelführerinnen, die Timab Industries (im Folgenden: Timab) und die Cie financière et de participations Roullier (CFPR), in erster Linie die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 20. Mai 2015, Timab Industries und CFPR/Kommission (T-456/10, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2015:296), mit dem dieses ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses K(2010) 5001 endgültig der Kommission vom 20. Juli 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/38866 – Futterphosphate) (im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen hat, und Zurückverweisung der Sache an das Gericht zur angemessenen Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße. Hilfsweise beantragen sie die Feststellung, dass das Gericht aufgrund der unangemessenen Dauer des gerichtlichen Verfahrens ihr Recht auf ein faires Verfahren verletzt hat.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EG) Nr. 1/2003

Rz. 2

Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) sieht vor:

„Stellt die Kommission auf eine Beschwerde hin oder von Amts wegen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel [101] oder Artikel [102 AEUV] fest, so kann sie die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen. Sie kann ihnen hierzu alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind. …”

Rz. 3

Art. 23 Abs. 2 und 3 dieser Verordnung bestimmt:

„(2) Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a) gegen Artikel [101] oder Artikel [102 AEUV] verstoßen …

Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.

(3) Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.”

Verordnung (EG) Nr. 773/2004

Rz. 4

Im Jahr 2008 wurde mit dem Erlass der Verordnung (EG) Nr. 622/2008 der Kommission vom 30. Juni 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 hinsichtlich der Durchführung von Vergleichsverfahren in Kartellfällen (ABl. 2008, L 171, S. 3) das Vergleichsverfahren eingeführt. Die Modalitäten der Durchführung dieser Verordnung wurden durch die Mitteilung der Kommission vom 2. Juli 2008 über die Durchführung von Vergleichsverfahren bei dem Erlass von Entscheidungen nach Artikel 7 und Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates in Kartellfällen (ABl. 2008, C 167, S. 1, im Folgenden: Mitteilung über Vergleichsverfahren) näher geregelt.

Rz. 5

Die Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101] und [102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) in der durch die Ver...

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