Entscheidungsstichwort (Thema)
Staatliche Beihilfen. Art. 88 Abs. 3 EG. Nationale Gerichte. Rückforderung rechtswidrig gewährter Beihilfen. Für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte Beihilfen
Beteiligte
CELF und ministre de la Culture und de la Communication |
Centre d'exportation du livre français (CELF) |
Ministre de la Culture et de la Communication |
Société internationale de diffusion et d'édition (SIDE) |
Tenor
1. Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG ist dahin auszulegen, dass das nationale Gericht nicht verpflichtet ist, die Rückforderung einer unter Verstoß gegen diese Vorschrift gewährten Beihilfe anzuordnen, wenn die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine abschließende Entscheidung erlassen hat, mit der die genannte Beihilfe gemäß Art. 87 EG für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird. Nach dem Gemeinschaftsrecht ist es verpflichtet, dem Beihilfeempfänger aufzugeben, für die Dauer der Rechtswidrigkeit Zinsen zu zahlen. Im Rahmen seines nationalen Rechts kann es gegebenenfalls außerdem die Rückzahlung der rechtswidrigen Beihilfe anordnen, unbeschadet des Rechts des Mitgliedstaats, diese später erneut zu gewähren. Es kann auch veranlasst sein, Anträgen auf Ersatz von durch die Rechtswidrigkeit der Beihilfemaßnahme verursachten Schäden stattzugeben.
2. In einer Verfahrenssituation wie der des Ausgangsverfahrens erstreckt sich die aus Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG resultierende Verpflichtung, die Auswirkungen der Rechtswidrigkeit einer Beihilfe zu beseitigen, für die Zwecke der Berechnung der vom Empfänger zu zahlenden Beträge und sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, auch auf den Zeitraum zwischen der Entscheidung, mit der die Kommission die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt hat, und der Nichtigerklärung dieser Entscheidung durch das Gemeinschaftsgericht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Conseil d'État (Frankreich) mit Entscheidung vom 29. März 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Mai 2006, in dem Verfahren
Centre d'exportation du livre français (CELF),
Ministre de la Culture et de la Communication
gegen
Société internationale de diffusion et d'édition (SIDE)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts, G. Arestis, U. Lõhmus und L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richter A. Borg Barthet, M. Ilešič, J. Malenovský, J. Klučka und E. Levits,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Centre d'exportation du livre français (CELF), vertreten durch J. Molinié, O. Schmitt, P. Guibert und A. Tabouis, avocats,
- der Société internationale de diffusion et d'édition (SIDE), vertreten durch N. Coutrelis und V. Giacobbo, avocats,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und S. Ramet als Bevollmächtigte,
- der dänischen Regierung, vertreten durch C. Thorning als Bevollmächtigten im Beistand von P. Biering und K. Lundgaard Hansen, advokater,
- der deutschen Regierung, vertreten durch C. Schulze-Bahr und M. Lumma als Bevollmächtigte,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas als Bevollmächtigten,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und P. P. J. van Ginneken als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Di Bucci und J.-P. Keppenne als Bevollmächtigte,
- der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch M. Sánchez Rydelski und B. Alterskjær als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Mai 2007
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 88 Abs. 3 EG.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Centre d'exportation du livre français (CELF) (im Folgenden: CELF) und dem Ministre de la Culture et de la Communication auf der einen und der Société internationale de diffusion et d'édition (SIDE) (im Folgenden: SIDE) auf der anderen Seite wegen dem CELF vom französischen Staat gewährter Beihilfen.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt und die Verfahren der Gemeinschaft
Rz. 3
Das CELF, eine genossenschaftliche Aktiengesellschaft, ist als Ausfuhrkommissionär tätig.
Rz. 4
Die Aufgabe des CELF besteht gemäß seiner Satzung darin, Aufträge über die Lieferung von Büchern, Broschüren und Kommunikationsträgern jeder Art in das Ausland sowie die französischen überseeischen Hoheitsgebiete und Departements unmittelbar auszuführen und allgemein alle Geschäfte zu tätigen, die mit Hilfe dieser Kommunikationsträger insbesondere zur Förderung der französischen Kultur in der Welt beitragen sollen.
Rz. 5
Das CELF fasst kleinere Bücherbestellungen zusammen und bietet ausländischen Kunden dadurch die Mög...