Entscheidungsstichwort (Thema)
Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Insolvenzverfahren. Zuständiges Gericht
Beteiligte
Tenor
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner, der seinen satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, zuständig sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. Juni 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2007, in dem Verfahren
Christopher Seagon als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Frick Teppichboden Supermärkte GmbH
gegen
Deko Marty Belgium NV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Seagon als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Frick Teppichboden Supermärkte GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin B. Ackermann,
- der Deko Marty Belgium NV, vertreten durch Rechtsanwalt H. Raeschke-Kessler,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Boček als Bevollmächtigten,
- der griechischen Regierung, vertreten durch O. Patsopoulou, M. Tassopoulou und I. Bakopoulos als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und S. Gruenheid als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Oktober 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1) und Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Seagon als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Frick Teppichboden Supermärkte GmbH (im Folgenden: Frick) und der Deko Marty Belgium NV (im Folgenden: Deko) wegen Rückzahlung von 50 000 Euro, die Frick an Deko gezahlt hatte.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Der zweite Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1346/2000 lautet:
„Für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes sind effiziente und wirksame grenzüberschreitende Insolvenzverfahren erforderlich; die Annahme dieser Verordnung ist zur Verwirklichung dieses Ziels erforderlich, das in den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen im Sinne des Artikels 65 des [EG-]Vertrags fällt.”
Rz. 4
Dem vierten Erwägungsgrund zufolge „[muss i]m Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes … verhindert werden, dass es für die Parteien vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Rechtsstreitigkeiten von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine verbesserte Rechtsstellung anzustreben (sog. ‚forum shopping’).”
Rz. 5
Der sechste Erwägungsgrund dieser Verordnung sieht vor:
„Gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte sich diese Verordnung auf Vorschriften beschränken, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen. Darüber hinaus sollte diese Verordnung Vorschriften hinsichtlich der Anerkennung solcher Entscheidungen und hinsichtlich des anwendbaren Rechts, die ebenfalls diesem Grundsatz genügen, enthalten.”
Rz. 6
Der achte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1346/2000 lautet:
„Zur Verwirklichung des Ziels einer Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung ist es notwendig und angemessen, die Bestimmungen über den Gerichtsstand, die Anerkennung und das anwendbare Recht in diesem Bereich in einem gemeinschaftlichen Rechtsakt zu bündeln, der in den Mitgliedstaaten verbindlich ist und unmittelbar gilt.”
Rz. 7
Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:
„Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist.”
Rz. 8
Art. 16 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:
„Die Eröffnung eines Insolvenzverf...