Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinfachtes Verfahren der Aufgabe von Waren zum Zweck ihrer Vernichtung, Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen
Leitsatz (amtlich)
Die Einleitung des in Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen, vorgesehenen Verfahrens mit Zustimmung des Inhabers eines Rechts des geistigen Eigentums und des Einführers nimmt den zuständigen nationalen Behörden nicht die Befugnis, gegen die für die Einfuhr solcher Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft Verantwortlichen eine „Sanktion“ im Sinne von Art. 18 dieser Verordnung, wie ein Bußgeld, zu verhängen.
Normenkette
EGV 1383/2003 Art. 11, 18
Beteiligte
Verfahrensgang
Augstakas tiesas Senata Administrativo lietu departaments (Lettland) (Urteil vom 14.02.2008; Abl.EU 2008, Nr. C 128/21) |
Tatbestand
„Vorabentscheidungsersuchen ‐ Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 ‐ Art. 11 ‐ Vereinfachtes Verfahren der Aufgabe von Waren zum Zweck ihrer Vernichtung ‐ Vorherige Bestimmung des Vorliegens einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums ‐ Verwaltungssanktion“
In der Rechtssache C-93/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Augstakas tiesas Senata Administrativo lietu departaments (Lettland) mit Entscheidung vom 14. Februar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Februar 2008, in dem Verfahren
Schenker SIA
gegen
Valsts ienemumu dienests
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter J.-C. Bonichot, J. Makarczyk und P. Kũris sowie der Richterin C. Toader (Berichterstatterin),
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: R. Seres, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Schenker SIA, vertreten durch A. Taurins, Mitglied des Verwaltungsrats, im Beistand von I. Faksa, advokate,
‐des Valsts ienemumu dienests, vertreten durch Dz. Jakans als Bevollmächtigten im Beistand von E. Krimela als Bevollmächtigte,
‐ der lettischen Regierung, vertreten durch E. Balode-Buraka, E. Eihmane und K. Drevina als Bevollmächtigte,
‐ der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
‐ der hellenischen Regierung, vertreten durch O. Patsopoulou und Z. Chatzipavlou als Bevollmächtigte,
‐ der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Kalnins und S. Schønberg als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen (ABl. L 196, S. 7).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Schenker SIA (im Folgenden: Schenker) gegen den Valsts ienemumu dienests (staatliche Steuerverwaltung), in dem es um ein Bußgeld geht, das gegen dieses Unternehmen nach der Vernichtung von Waren verhängt worden ist, bei denen der Verdacht bestand, dass sie ein Recht des geistigen Eigentums verletzten.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Die Verordnung Nr. 1383/2003 hat die Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr (ABl. L 341, S. 8) aufgehoben und ersetzt.
4
Die Erwägungsgründe 3, 5, 9 und 10 der Verordnung Nr. 1383/2003 lauten:
„(3) In Fällen, in denen das Ursprungs- oder Herkunftsland der nachgeahmten Waren, der unerlaubt hergestellten Waren und allgemein der Waren, die ein Recht geistigen Eigentums verletzen, ein Drittstaat ist, sollten ihr Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft … verboten und ein geeignetes Verfahren eingeführt werden, um die Zollbehörden in die Lage zu versetzen, die Einhaltung dieses Verbots unter den bestmöglichen Bedingungen zu gewährleisten.
…
(5) Das Tätigwerden der Zollbehörden sollte darin bestehen, im Fall von Waren, die im Verdacht stehen, nachgeahmte oder unerlaubt hergestellte Waren oder Waren zu sein, die bestimmte Rechte geistigen Eigentums verletzen, für die Zeit, die für die Feststellung erforderlich ist, ob es sich tatsächlich um solche Waren handelt, entweder die Überlassung dieser...