Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Marken- Unterscheidungskraft. Beurteilungskriterien. Zeichen, das ein Rautezeichen (Hashtag) beinhaltet
Normenkette
Richtlinie 2008/95/EG Art. 3 Abs. 1 Buchst. b
Beteiligte
Deutsches Patent- und Markenamt (#darferdas?) |
Deutsches Patent- und Markenamt |
Tenor
Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass die Unterscheidungskraft eines als Marke angemeldeten Zeichens unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände, einschließlich sämtlicher wahrscheinlicher Verwendungsarten der angemeldeten Marke, zu prüfen ist. Mangels anderer Anhaltspunkte handelt es sich dabei um die Verwendungsarten, die angesichts dessen, was in der betreffenden Branche üblich ist, praktisch bedeutsam sein können.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. Juni 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 21. August 2018, in dem Verfahren
AS
gegen
Deutsches Patent- und Markenamt
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász, M. Ilešič (Berichterstatter) und I. Jarukaitis,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von AS, vertreten durch Rechtsanwalt C. Rohnke,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und M. L. Noort als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Scharf, É. Gippini Fournier und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen AS und dem Deutschen Patent- und Markenamt (im Folgenden: DPMA) wegen der Anmeldung des ein Rautezeichen (Hashtag) beinhaltenden Zeichens #darferdas? als Marke.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Richtlinie 2008/95, mit der die Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) aufgehoben und ersetzt wurde, wurde ihrerseits mit Wirkung vom 15. Januar 2019 durch die Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2015, L 336, S. 1) aufgehoben und ersetzt. Angesichts des nach dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgebenden Zeitraums ist das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen jedoch anhand der Richtlinie 2008/95 zu prüfen.
Rz. 4
Art. 2 der Richtlinie 2008/95 bestimmte:
„Marken können alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.”
Rz. 5
Art. 3 der Richtlinie sah vor:
„(1) Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:
…
b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben;
…
(3) Eine Marke wird nicht gemäß Absatz 1 Buchstabe b, c oder d von der Eintragung ausgeschlossen oder für ungültig erklärt, wenn sie vor der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat. …
…”
Nationales Recht
Rz. 6
Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95 wurde durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen vom 25. Oktober 1994 (BGBl. 1994 I S. 3082) in deutsches Recht umgesetzt. Diese Bestimmung lautet: „Von der Eintragung ausgeschlossen sind Marken, … denen für die Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.”
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
Rz. 7
AS meldete das ein Rautezeichen (Hashtag) beinhaltende Zeichen #darferdas? beim DPMA als Marke für Waren der Klasse 25 des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in revidierter und geänderter Fassung an.
Rz. 8
Die Marke wurde für folgende Waren angemeldet: „Bekleidungsstücke, insbesondere T-Shirts; Schuhwaren; Kopfbedeckungen.”
Rz. 9
Das DPMA wies die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft des in Rede stehenden Zeichens im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstig...