Entscheidungsstichwort (Thema)
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: OBERLANDESGERICHT DUESSELDORF – DEUTSCHLAND. SELEKTIVES VERTRIEBSSYSTEM – ARTIKEL 85 EWG-VERTRAG – LUECKENLOSIGKEIT ALS VORAUSSETZUNG FUER DIE RECHTSWIRKSAMKEIT. 1. Wettbewerb – Kartelle – Selektives Vertriebssystem – Zulässigkeit – Abweichende Vertriebsform ausserhalb der Gemeinschaft – Unbeachtlich (EWG-Vertrag, Artikel 85 Absätze 1 und 2). 2. Wettbewerb – Kartelle – Selektives Vertriebssystem – Zulässigkeit – Beschränkung der Herstellergarantie auf bei zugelassenen Händlern erworbene Erzeugnisse – Zulässigkeit (EWG-Vertrag, Artikel 85)
Leitsatz (amtlich)
1. Einer die Anwendung des Artikels 85 Absätze 1 und 2 EWG-Vertrag ausschließenden EG-Vertriebsbindung für Produkte des gehobenen Bedarfs (Uhren der gehobenen Preisklasse und Luxusklasse) ist die Anerkennung nicht schon aus dem Grund zu versagen, daß in Ländern ausserhalb der Europäischen Gemeinschaft eine Vertriebsbindung durch entsprechende Vertragsgestaltungen nicht oder nicht vollkommen besteht, so daß dort die in der Europäischen Gemeinschaft gebundenen Waren von Systemfremden frei erworben und legitim auf den Gemeinsamen Markt gebracht werden können.
2. Erfüllt ein selektives Vertriebssystem die in der Rechtsprechung des Gerichtshofes aufgestellten Kriterien für seine Rechtswirksamkeit nach Artikel 85 EWG-Vertrag, so ist auch die Beschränkung der Herstellergarantie auf bei zugelassenen Händlern erworbene Vertragserzeugnisse als zulässig anzusehen.
Wenn nämlich Vertragsklauseln, durch die sich der Hersteller verpflichtet, nur über zugelassene Vertragshändler zu verkaufen, und durch die sich diese verpflichten, nur an andere zugelassene Händler oder an Verbraucher zu verkaufen, zulässig sind, so gibt es keinen Grund, die vertragliche Beschränkung der Garantie auf Erzeugnisse, die von zugelassenen Vertragshändlern verkauft werden, strenger zu behandeln, da durch verschiedene Mittel immer derselbe Zweck angestrebt wird, nämlich zu verhindern, daß Systemfremde vertriebsgebundene Waren in den Handel bringen.
Normenkette
EWGVtr Art. 85 Abs. 1-2, Art. 85
Beteiligte
Metro SB-Großmärkte GmbH & Co. KG |
Tenor
1) Einer die Anwendung des Artikels 85 Absätze 1 und 2 EWG-Vertrag ausschließenden EG-Vertriebsbindung für Produkte des gehobenen Bedarfs (Uhren der gehobenen Preisklasse und Luxusklasse) ist die Anerkennung nicht schon aus dem Grund zu versagen, daß in Ländern ausserhalb der Europäischen Gemeinschaft eine Vertriebsbindung durch entsprechende Vertragsgestaltungen nicht oder nicht vollkommen besteht, so daß dort die in der Europäischen Gemeinschaft gebundenen Waren von Systemfremden frei erworben und legitim auf den Gemeinsamen Markt gebracht werden können.
2) Erfüllt ein selektives Vertriebssystem die in der Rechtsprechung des Gerichtshofes aufgestellten Kriterien für seine Rechtswirksamkeit nach Artikel 85 EWG-Vertrag, so ist auch die Beschränkung der Herstellergarantie auf bei zugelassenen Händlern erworbene Vertragserzeugnisse als zulässig anzusehen.
Gründe
1 Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Beschluß vom 22. September 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Oktober 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Lückenlosigkeit eines selektiven Vertriebssystems als Voraussetzung für dessen Rechtswirksamkeit nach Artikel 85 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in dem Rechtsstreit der Metro SB-Großmärkte GmbH & Co. KG (im folgenden: Metro) gegen die Cartier SA, in dem Metro die Feststellung begehrt, daß letztere verpflichtet ist, kostenlos ihre Garantie für die von Metro vertriebenen Cartier-Uhren zu gewähren.
3 Die in Düsseldorf ansässige Metro ist eine Tochtergesellschaft des Metro-Konzerns, der in der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Staaten eine Vielzahl von Selbstbedienungs-Großhandelsgeschäften betreibt.
4 Die Cartier SA (diese Firma und der Cartier-Konzern werden im folgenden als Cartier bezeichnet) mit Sitz in Paris ist die Vertriebsgesellschaft der Firma Cartier Monde mit Sitz in Luxemburg, die in zahlreichen Ländern ähnliche Vertriebsgesellschaften besitzt. Cartier-Erzeugnisse gelten allgemein als Luxuserzeugnisse.
5 Cartier stellt die Uhren nicht selbst her, sondern bezieht sie von einem in der Schweiz ansässigen Hersteller. Sie vertreibt sie durch ein selektives Vertriebssystem. Dieses beruht innerhalb des Gemeinsamen Marktes auf Verträgen, die die Tochtergesellschaften von Cartier oder, falls solche nicht existieren, von der Muttergesellschaft ausgewählte Großhändler/Importeure in den verschiedenen Mitgliedstaaten mit nach qualitativen Gesichtspunkten ausgewählten Einzelhändlern, den „Konzessionären”, schließen. Grundlage dieser Verträge ist ein Muster-Konzessionärsvertrag.
6 Der Muster-Konzessionärsvertrag wurde 1983 bei der Kommission angemeldet. Diese prüfte ihn auf seine Vereinbarkeit mit Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag und beanstandete bestimmte darin enthaltene Klauseln. Nachdem Cartier diese Klauseln aufgeh...