Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleiches Entgelt für Männer und Frauen. Mutterschaftsurlaub. Erwerb von Rentenanwartschaften
Beteiligte
Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder |
Tenor
Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe g der Richtlinie 86/378/EWG des Rates vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit in der durch die Richtlinie 96/97/EG des Rates vom 20. Dezember 1996 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er nationalen Bestimmungen entgegensteht, nach denen eine Arbeitnehmerin während des teilweise vom Arbeitgeber bezahlten gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs keine Anwartschaften auf eine Versicherungsrente, die Teil eines Zusatzversorgungssystems ist, erwirbt, weil die Entstehung solcher Anwartschaften davon abhängt, dass die Arbeitnehmerin während des Mutterschaftsurlaubs steuerpflichtigen Arbeitslohn erhält.
Tatbestand
In der Rechtssache C-356/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. Juli 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 18. August 2003, in dem Verfahren
Elisabeth Mayer
gegen
Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), K. Schiemann und E. Juhász,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Mayer,
- der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, vertreten durch Rechtsanwalt J. Kummer,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch N. Yerrell und H. Kreppel als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. September 2004,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 des EG-Vertrags sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden), von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe g der Richtlinie 86/378/EWG des Rates vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit (ABl. L 225, S. 40) in der durch die Richtlinie 96/97/EG des Rates vom 20. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 46, S. 20) geänderten Fassung und von Artikel 11 Nummer 2 Buchstabe a der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1).
2
Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit von Frau Elisabeth Mayer (im Folgenden: Klägerin) gegen die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (im Folgenden: VBL), bei dem es um die Berücksichtigung von Zeiten des Mutterschutzes bei der Berechnung der Anwartschaft der Klägerin auf eine Versicherungsrente geht.
Rechtlicher Rahmen
Das Gemeinschaftsrecht
3
Artikel 2 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 86/378 in der durch die Richtlinie 96/97 geänderten Fassung lautet wie folgt:
„(1) Als betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit gelten Systeme, die nicht durch die Richtlinie 79/7/EWG geregelt werden und deren Zweck darin besteht, den unselbständig oder selbständig Erwerbstätigen eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe, eines Wirtschaftszweigs oder den Angehörigen eines Berufes oder einer Berufsgruppe Leistungen zu gewähren, die als Zusatzleistungen oder Ersatzleistungen die gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit ergänzen oder an ihre Stelle treten, unabhängig davon, ob der Beitritt zu diesen Systemen Pflicht ist oder nicht.
(2) Diese Richtlinie gilt nicht:
- für Einzelverträge selbständig Erwerbstätiger;
- für Systeme selbständig Erwerbstätiger mit nur einem Mitglied;
- im Fall von unselbständig Erwerbstätigen für Versicherungsverträge, bei denen der Arbeitgeber nicht Vertragspartei ist;
für fakultative Bestimmungen der betrieblichen Systeme, die einzelnen Mitgliedern eingeräumt werden, um ihnen
- entweder zusätzliche Leistungen oder
- die Möglichkeit der Wahl des Zeitpunkts, zu dem die regulären Leistungen selbständig Erwerbstätiger einsetzen, oder der Wahl zwischen mehreren Leistungen zu garantieren;
- für betriebliche Systeme, sofern die Leistungen durch freiwillige Beiträge der Arbeitnehmer finanziert werden.”
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Artikel 4 dieser Richtlinie lautet:
„Diese Richtlinie findet Anwendung
auf betriebliche Systeme, die Schutz gegen folgende Risiken bieten:
- Krankheit,
- Invalidität,
- Alter, einschließlich vorzeitige Versetzung in den Ruhestand,
- Arbeitsunfall und Berufskrankheit,
- Arbeitslosigkeit;
- auf betriebliche Systeme, die sonstige Sozialleistungen in Form von Geld- oder Sachleistungen vorsehen, insbeson...