Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Dienstleistungsfreiheit. Patentanwälte. Pflicht, sich in das Patentanwaltsverzeichnis des Aufnahmemitgliedstaats eintragen zu lassen. Pflicht, im Aufnahmemitgliedstaat einen Wohnsitz oder eine berufliche Niederlassung zu haben
Normenkette
EG Art. 49
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 49 EG bis 55 EG verstoßen, dass sie eine Regelung beibehält, nach der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Patentanwälte vor dem italienischen Patentamt Dienstleistungen nur erbringen können, wenn sie in das italienische Register der Patentanwälte eingetragen sind und einen Wohnsitz oder eine berufliche Niederlassung in Italien haben.
2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 21. März 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 49 EG bis 55 EG über die Dienstleistungsfreiheit verstoßen hat, dass sie eine Regelung beibehalten hat, nach der in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Patentanwälte vor dem italienischen Patentamt Dienstleistungen nur erbringen können, wenn sie in das italienische Patentanwaltsverzeichnis eingetragen sind und einen Wohnsitz oder eine berufliche Niederlassung in Italien haben.
Das nationale Recht
2.
Artikel 94 des Königlichen Dekrets Nr. 1127 vom 29. Juni 1939 mit Bestimmungen betreffend Patente in seiner Fassung aufgrund des Dekrets Nr. 338 des Präsidenten der Republik vom 22. Juni 1979 – Neuregelung des nationalen Rechts auf dem Gebiet derPatente gemäß dem Ermächtigungsgesetz Nr. 260 vom 26. Mai 1978 – (GURI Nr. 215 vom 9. August 1979, S. 6597) (im Folgenden: Dekret Nr. 1127/39) bestimmt:
Niemand ist verpflichtet, sich in den Verfahren vor dem Patentamt durch einen zugelassenen Bevollmächtigten vertreten zu lassen; natürliche und juristische Personen können durch einen Angestellten, der nicht zugelassen sein muss, auftreten.
Bevollmächtigt werden kann nur, wer in ein Verzeichnis eingetragen ist, das zu diesem Zweck beim Patentamt geführt wird.
Bevollmächtigt werden können auch Rechtsanwälte oder Prozessvertreter, die in ihr jeweiliges Standesverzeichnis eingetragen sind.
3.
Artikel 2 des Dekrets Nr. 342 der Italienischen Republik vom 30. Mai 1995 – Regelung zur Ordnung des Berufes des Beistands in Sachen des gewerblichen Rechtsschutzes und zur Errichtung des entsprechenden Verzeichnisses – (GURI Nr. 192 vom 18. August 1995, S. 15, im Folgenden: Dekret Nr. 342/95) knüpft die Eintragung in das beim Patentamt geführte Verzeichnis der Patentanwälte an folgende Voraussetzungen:
In das Verzeichnis der zugelassenen Beistände in Sachen des gewerblichen Rechtsschutzes kann jede natürliche Person eingetragen werden, die
…
c)
ihren Wohnsitz oder eine berufliche Niederlassung in Italien hat, es sei denn es handelt sich um einen Staatsangehörigen eines Staates, in dem italienische Staatsangehörige ohne eine solche Voraussetzung in entsprechende Verzeichnisse eingetragen werden können;
d)
die Befähigungsprüfung nach Artikel 6 oder die für die Beistände in Sachen des gewerblichen Rechtsschutzes in Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzesdekrets Nr. 115 vom 27. Januar 1992 vorgesehene Eignungsprüfung bestanden hat.
4.
Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzesdekrets Nr. 115 der Italienischen Republik vom 27. Januar 1992 zur Durchführung der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (GURI Nr. 40 vom 18. Februar 1992, S. 6, im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 115/92) bestimmt:
Die Anerkennung [der in der Europäischen Gemeinschaft erworbenen Berufsabschlüsse] bei den Berufen eines Rechtsanwalts, eines Wirtschaftsprüfers und eines Beistandes in Sachen des gewerblichen Rechtschutzes erfolgt unter der Voraussetzung, dass eine Eignungsprüfung abgelegt wird.
5.
Artikel 13 Absatz 1 des Gesetzesdekrets Nr. 115/92 bestimmt: Das Dekret über die Anerkennung von Berufsabschlüssen verleiht den Betroffenen das Recht auf Zugang zum Beruf und zu dessen Ausübung unter Beachtung der Voraussetzungen, die durch die für die italienischen Staatsangehörigen geltenden Regelung aufgestellt sind, neben den Anforderungen an die Berufsausbildung und die beruflichen Fähigkeiten.
Das vorgerichtliche Verfahren
6.
Die Kommission teilte der italienischen Regierung mit Mahnschreiben vom 29. Juli 1998 mit, dass sie der Ansicht sei, die Artikel 94 des Dekrets Nr. 1127/39 und 2 des Dekrets Nr. 342/95 seien mit den Artikeln 49 EG bis 55 EG unvereinbar, und forderte sie auf, sich hierzu zu äußern.
7.
Nach Ansicht der Kommission ist es unverhältnismäßig, von in anderen Mitgliedstaaten niedergela...