Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Rechtsangleichung. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Informationsgesellschaft. Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte. Öffentliche Wiedergabe. Begriff. Internetlinks (‚anklickbare Links’), die geschützte Werke zugänglich machen
Normenkette
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
1. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind.
2. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Svea hovrätt (Schweden) mit Entscheidung vom 18. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Oktober 2012, in dem Verfahren
Nils Svensson,
Sten Sjögren,
Madelaine Sahlman,
Pia Gadd
gegen
Retriever Sverige AB
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter M. Safjan und J. Malenovský (Berichterstatter), der Richterin A. Prechal und des Richters S. Rodin,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Svensson, Herrn Sjögren und Frau Sahlman, vertreten durch O. Wilöf, förbundsjurist,
- von Frau Gadd, vertreten durch R. Gómez Cabaleiro, abogado, und M. Wadsted, advokat,
- der Retriever Sverige AB, vertreten durch J. Åberg, M. Bruder, und C. Rockström, advokater,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, F. X. Bréchot und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Beeko als Bevollmächtigte im Beistand von N. Saunders, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda und J. Enegren als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Svensson, Herrn Sjögren, Frau Sahlman und Frau Gadd auf der einen und der Retriever Sverige AB (im Folgenden: Retriever Sverige) auf der anderen Seite über eine Entschädigung, die ihnen als Ausgleich für den Schaden geschuldet sei, der ihnen dadurch entstanden sein soll, dass auf die Internetseite dieses Unternehmens anklickbare Internetlinks („Hyperlinks”) gesetzt worden seien, die auf Presseartikel verwiesen, an denen ihnen das Urheberrecht zustehe.
Rechtlicher Rahmen
Internationales Recht
WIPO-Urheberrechtsvertrag
Rz. 3
Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) nahm am 20. Dezember 1996 in Genf den WIPO-Urheberrechtsvertrag an. Dieser wurde durch den Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. L 89, S. 6) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt.
Rz. 4
Nach Art. 1 Abs. 4 des WIPO-Urheberrechtsvertrags müssen die Vertragsparteien den Art. 1 bis 21 der am 9. September 1886 in Bern unterzeichneten Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft) nachkommen.
Berner Übereinkunft
Rz. 5
Art. 20 („Sonderabkommen zwischen Verbandsländern”) der Berner Übereinkunft bestimmt:
„Die Regierungen der Verbandsländer behalten sich das Recht vor, Sonderabkommen miteinander insoweit zu treffen, als diese den Urhebern Rechte verleihen, die über die ihnen durch diese Übereinkunft gewährten Rechte hinausgehen, oder andere Bestimmungen enthalten, die dieser Übereinkunft nicht zuwiderlaufen. Die Bestimmungen bestehender Abkommen, die den angegebenen Voraussetzungen entsprechen, bleiben anwendbar.”
Unionsrecht
Rz. 6
In den Erwägungsgründen 1, 4, 6, 7, 9 und 19 der Richtlinie 2001/29 heißt es:
„(1) Der Vertrag sieht die Schaffung...