Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug, Erwerb eines Mandantenstamms durch einen GbR-Gesellschafter zur unentgeltlichen Überlassung an die GbR, Vorsteuerabzug bei unentgeltlicher Nutzungsüberlassung eines Wirtschaftsguts an eine GbR
Leitsatz (amtlich)
Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung sind unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer dahin auszulegen, dass ein Gesellschafter einer Steuerberatungs-GbR, der von dieser einen Teil des Mandantenstamms nur zu dem Zweck erwirbt, diesen unmittelbar anschließend einer unter seiner maßgeblichen Beteiligung neu gegründeten Steuerberatungs-GbR unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung zu überlassen, ohne dass dieser Mandantenstamm jedoch dem Vermögen der neu gegründeten Gesellschaft zuwächst, nicht zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Mandantenstamms berechtigt ist.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 1-2, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a
Beteiligte
Verfahrensgang
Tatbestand
„Steuern ‐ Mehrwertsteuer ‐ Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug ‐ Auflösung einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter ‐ Erwerb eines Teils des Mandantenstamms dieser Gesellschaft ‐ Sacheinlage in eine andere Gesellschaft ‐ Zahlung der Vorsteuer ‐ Möglicher Abzug“
In der Rechtssache C-204/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Februar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 18. April 2013, in dem Verfahren
Finanzamt Saarlouis
gegen
Heinz Malburg
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Borg Barthet sowie der Richter S. Rodin und F. Biltgen (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Malburg, vertreten durch Rechtsanwalt K. Koch,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Soulay und A. Cordewener als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Saarlouis (im Folgenden: Finanzamt) und Herrn Malburg über das Recht auf Abzug der Vorsteuer, die ein Gesellschafter anlässlich der Übernahme eines Teils des Mandantenstamms bei der Realteilung einer Steuerberatungsgesellschaft gezahlt hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie lautet:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen:
(1) Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.
Rz. 4
Art. 4 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.
…“
Rz. 5
Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie lautet:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden“.
Deutsches Recht
Rz. 6
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung von 2003 (BGBl. 2003 I S. 2645, im Folgenden: UStG) unterl...