Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Unionsbürgerschaft. Recht eines vorbestraften Drittstaatsangehörigen auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat. Elternteil mit alleinigem Sorgerecht für zwei minderjährige Kinder, die Unionsbürger sind. Erstes Kind, das die Staatsangehörigkeit des Wohnmitgliedstaats besitzt. Zweites Kind, das die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzt. Nationale Regelung, nach der die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen solchen Verwandten in aufsteigender Linie bei Vorstrafen ausgeschlossen ist. Verweigerung des Aufenthalts, der zur Folge haben kann, dass die Kinder das Gebiet der Union verlassen müssen
Normenkette
AEUV Art. 20-21; Richtlinie 2004/38/EG
Beteiligte
Administración del Estado |
Tenor
Art. 21 AEUV und die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der einem Drittstaatsangehörigen, der Elternteil eines minderjährigen Kindes ist, das Unionsbürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats als des Aufnahmemitgliedstaats ist, dem er Unterhalt gewährt und das mit ihm im Aufnahmemitgliedstaat lebt, allein wegen des Vorliegens von Vorstrafen eine Aufenthaltserlaubnis automatisch zu verweigern ist.
Art. 20 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer solchen nationalen Regelung, nach der einem Drittstaatsangehörigen, der Vater von minderjährigen Kindern ist, die Unionsbürger sind und für die er allein sorgt, allein wegen des Vorliegens von Vorstrafen eine Aufenthaltserlaubnis automatisch zu verweigern ist, entgegensteht, sofern die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis zur Folge hat, dass die Kinder das Unionsgebiet verlassen müssen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 20. März 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2014, in dem Verfahren
Alfredo Rendón Marín
gegen
Administración del Estado
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič und L. Bay Larsen, der Kammerpräsidentin C. Toader, der Kammerpräsidenten D. Šváby, F. Biltgen und C. Lycourgos, der Richter A. Rosas (Berichterstatter), E. Juhász, A. Borg Barthet und M. Safjan sowie der Richterinnen M. Berger, A. Prechal und K. Jürimäe,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Rendón Marín, vertreten durch I. Aránzazu Triguero Hernández und L. De Rossi, abogadas,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González und L. Banciella Rodríguez-Miñón als Bevollmächtigte,
- der dänischen Regierung, vertreten durch C. Thorning und M. Wolff als Bevollmächtigte,
- der hellenischen Regierung, vertreten durch T. Papadopoulou als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und R. Coesme als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. D'Ascia, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und B. Koopman als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, K. Pawłowska und M. Pawlicka als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Holt und J. Beeko als Bevollmächtigte im Beistand von D. Blundell, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Martínez del Peral, C. Tufvesson, F. Castillo de la Torre und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. Februar 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 20 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Drittstaatsangehörigen Alfredo Rendón Marín, dem allein sorgeberechtigten Vater zweier minderjähriger Unionsbürger, die seit ihrer Geburt in Spanien leben, und der Administración del Estado (staatliche Verwaltung, Spanien) wegen der Entscheidung des Director General de Inmigración del Ministerio de Trabajo e Inmigración (Generaldirektor für Einwanderung des Ministeriums für Arbeit und Einwanderung, Spanien), Herrn Rendón Marín aufgrund seiner Vorstrafen keine Aufenthaltserlaubnis wegen außergewöhnlicher Umstände zu erteilen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 23 und 24 der Richtlinie 2004/38/EG des Europä...