Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges und gewerbliches Eigentum. Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte. Öffentliche Wiedergabe. Begriff. Online-Filesharing-Plattform. Teilen geschützter Dateien ohne Zustimmung des Inhabers
Normenkette
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
Der Begriff „öffentliche Wiedergabe” im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Bereitstellung und das Betreiben einer Filesharing-Plattform im Internet erfasst, die durch die Indexierung von Metadaten zu geschützten Werken und durch das Anbieten einer Suchmaschine den Nutzern dieser Plattform ermöglicht, diese Werke aufzufinden und sie im Rahmen eines „Peer-to-peer”-Netzes zu teilen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) mit Entscheidung vom 13. November 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 18. November 2015, in dem Verfahren
Stichting Brein
gegen
Ziggo BV,
XS4ALL Internet BV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), der Richterin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader sowie des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Stichting Brein, vertreten durch J. C. H. van Manen, advocaat,
- der Ziggo BV, vertreten durch F. E. Vermeulen und E. A. de Groot, advocaten,
- der XS4ALL Internet BV, vertreten durch C. Alberdingk Thijm und C. F. M. de Vries, advocaten,
- der spanischen Regierung, vertreten durch V. Ester Casas und A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Segoin als Bevollmächtigten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Di Matteo, avvocato dello Stato,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und M. Figueiredo als Bevollmächtigte im Beistand von T. Rendas, Rechtsberater,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Brown und J. Kraehling als Bevollmächtigte im Beistand von N. Saunders, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda, T. Scharf und F. Wilman als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Februar 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsverfahren betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10) sowie von Art. 11 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt im ABl. 2004, L 195, S. 16).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Stichting Brein, einer Stiftung, die die Interessen der Inhaber von Urheberrechten wahrnimmt, auf der einen Seite und den Internetzugangsanbietern Ziggo BV und XS4ALL Internet BV (im Folgenden: XS4ALL) auf der anderen Seite über von Stichting Brein gestellte Anträge, Ziggo und XS4ALL aufzugeben, die Domainnamen und IP-Adressen der Online-Filesharing-Plattform „The Pirate Bay” (im Folgenden: Online-Filesharing-Plattform TPB) zu sperren.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 9, 10, 23 und 27 der Richtlinie 2001/29 heißt es:
„(9) Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. Das geistige Eigentum ist daher als Bestandteil des Eigentums anerkannt worden.
(10) Wenn Urheber und ausübende Künstler weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollen, müssen sie für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten, was ebenso für die Produzenten gilt, damit diese die Werke finanzieren können. Um Produkte wie Tonträger, Filme oder Multimediaprodukte herstellen und Dienstleistungen, z. B. Dienste auf Abruf, anbieten zu können, sind beträchtliche Investitionen erforderlich. Nur wenn die Rechte des geistigen Eigentums angem...