Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Rein interner Sachverhalt. Dienstleistungen im Binnenmarkt. Anwendungsbereich. Vergabe öffentlicher Aufträge. Begriff ‚öffentliche Aufträge’. Erbringung personenbezogener sozialer Unterstützungsleistungen. Vereinbarungen der konzertierten Aktion mit privaten Einrichtungen der Sozialinitiative. Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern, die einen Erwerbszweck verfolgen. Ort der Ansässigkeit der Einrichtung als Auswahlkriterium

 

Normenkette

AEUV Art. 49, 56; Richtlinie 2014/24/EU Art. 74-77; Richtlinie 2006/123/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. j

 

Beteiligte

ASADE

Asociación Estatal de Entidades de Servicios de Atención a Domicilio (ASADE)

Consejería de Igualdad y Políticas Inclusivas

 

Tenor

1. Die Art. 76 und 77 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die privaten Einrichtungen ohne Erwerbszweck die Möglichkeit vorbehält, im Rahmen eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens Vereinbarungen zu schließen, gemäß denen sie gegen Erstattung ihrer Kosten soziale personenbezogene Unterstützungsleistungen erbringen, und zwar unabhängig vom geschätzten Wert dieser Dienstleistungen und selbst wenn sie nicht die Anforderungen in Art. 77 dieser Richtlinie erfüllen, nicht entgegenstehen, sofern zum einen der rechtliche und vertragliche Rahmen, in dem diese Einrichtungen tätig sind, tatsächlich zu dem sozialen Zweck und zu den Zielen der Solidarität und der Haushaltseffizienz beiträgt, auf denen diese Regelung beruht, und zum anderen der Transparenzgrundsatz gewahrt ist, wie er insbesondere in Art. 75 der Richtlinie konkretisiert ist.

2. Art. 76 der Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Ansässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers an dem Ort, an dem die Dienstleistungen zu erbringen sind, im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags über soziale Dienstleistungen im Sinne von Anhang XIV dieser Richtlinie ein Kriterium für die Auswahl der Wirtschaftsteilnehmer vor der Prüfung ihrer Angebote darstellt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Valenciana (Obergericht der Valencianischen Gemeinschaft, Spanien) mit Entscheidung vom 3. September 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 16. September 2020, in dem Verfahren

Asociación Estatal de Entidades de Servicios de Atención a Domicilio (ASADE)

gegen

Consejería de Igualdad y Políticas Inclusivas

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos (Berichterstatter), der Richter S. Rodin und J.-C. Bonichot sowie der Richterinnen L. S. Rossi und O. Spineanu-Matei,

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Asociación Estatal de Entidades de Servicios de Atención a Domicilio (ASADE), vertreten durch A. Martínez Gradoli, Procuradora, und Y. Puiggròs Jiménez de Anta, Abogada,
  • der Consejería de Igualdad y Políticas Inclusivas, vertreten durch I. Sánchez Lázaro, Abogada,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch I. Herranz Elizalde, S. Jiménez García und J. Rodríguez de la Rúa Puig als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigten im Beistand von S. L. Vitale, Avvocato dello Stato,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman, M. H. S. Gijzen und J. Langer als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, M. Jáuregui Gómez, P. Ondrůšek, E. Sanfrutos Cano und G. Wils als Bevollmächtigte,
  • der norwegischen Regierung, vertreten durch J. T. Kaasin und H. Røstum als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 3. Februar 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 56 AEUV, der Art. 76 und 77 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) in Verbindung mit deren Art. 74 und Anhang XIV sowie von Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Verfahren über eine Klage der Asociación Estatal de Entidades de Servicios de Atención a Domicilio (ASADE) (Staatlicher Verband der Einrichtungen für häusliche Pflegedienste) betreffend die Rechtmäßigkeit des Decreto 181/2017 del Consell, por el que se desarrolla la acción concertada para la prestación de servicios sociales en el ámbito de la Comunitat Valenciana por entidades de iniciativa social (Dekret 181/2017 der Regierung der Valen...

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