Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge Paragraf 4 – Diskriminierungsverbot – Begriff der ‚Beschäftigungsbedingungen’. Ausgleichszahlung wegen Beendigung eines Arbeitsvertrags – Von der nationalen Regelung für Zeitverträge nicht vorgesehene Ausgleichszahlung – Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Dauerbeschäftigten
Normenkette
Richtlinie 1999/70/EG
Beteiligte
Tenor
1. Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Beschäftigungsbedingungen” die Ausgleichszahlung umfasst, die ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aufgrund der Beendigung seines befristeten Arbeitsvertrags zu zahlen hat.
2. Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70 enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die einem Arbeitnehmer, der im Rahmen eines „contrato de interinidad” (Arbeitsvertrag für eine Übergangszeit) beschäftigt ist, jegliche Ausgleichszahlung für die Beendigung des Arbeitsvertrags verwehrt, während sie die Gewährung einer solchen Ausgleichszahlung u. a. an vergleichbare Dauerbeschäftigte ermöglicht. Der bloße Umstand, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeit auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags für eine Übergangszeit verrichtet hat, kann keinen sachlichen Grund darstellen, der es rechtfertigen würde, diesem Arbeitnehmer die Zuerkennung dieser Ausgleichszahlung zu verweigern.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Oberster Gerichtshof von Madrid, Spanien) mit Entscheidung vom 9. Dezember 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Dezember 2014, in dem Verfahren
Ana de Diego Porras
gegen
Ministerio de Defensa
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen (Berichterstatter), des Richters A. Borg Barthet und der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau de Diego Porras, vertreten durch J. Rello Ochayta, abogado,
- der spanischen Regierung, vertreten durch L. Banciella Rodríguez-Miñón als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Pardo Quintillán und M. van Beek als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43) enthalten ist.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Ana de Diego Porras und dem Ministerio de Defensa (Verteidigungsministerium, Spanien) über die Einordnung der vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien und die Leistung einer Ausgleichszahlung infolge der Beendigung dieser Beziehung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Aus dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70 geht hervor, dass „[d]ie Unterzeichnerparteien … eine Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge schließen [wollten], welche die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge und Beschäftigungsverhältnisse niederlegt. Sie haben ihren Willen bekundet, durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse zu verbessern und einen Rahmen zu schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse verhindert.”
Rz. 4
Nach Art. 1 der Richtlinie 1999/70 soll mit ihr „die zwischen den allgemeinen branchenübergreifenden Organisationen (EGB, UNICE und CEEP) geschlossene Rahmenvereinbarung … durchgeführt werden”.
Rz. 5
Die Präambel der Rahmenvereinbarung präzisiert in ihrem Abs. 3, dass „[d]ie Vereinbarung … die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge in der Erkenntnis nieder[legt], dass bei ihrer genauen Anwendung die besonderen Gegebenheiten der jeweiligen nationalen, sektoralen und saisonalen Situation berücksichtigt werden müssen. Sie macht den Willen der Sozialpartner deutlich, einen allgemeinen Rahmen zu schaffen, der durch den Schutz vor Diskriminierung die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen sichert und die Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge auf einer ...