Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialpolitik. Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Richtlinie 2003/88/EG. Arbeitszeitgestaltung. Im öffentlichen Sektor beschäftigte Feuerwehrleute. Einsatzdienst. Art. 6 Buchst. b und 22 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b. Wöchentliche Höchstarbeitszeit. Weigerung, eine Arbeit auszuüben, die die wöchentliche Höchstarbeitszeit überschreitet. Umsetzung in einen anderen Dienst gegen den Willen des Arbeitnehmers. Unmittelbare Wirkung. Folge für die nationalen Gerichte
Beteiligte
Tenor
Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die es zulässt, dass ein Arbeitgeber des öffentlichen Sektors eine Umsetzung eines Arbeitnehmers, der als Feuerwehrmann im Einsatzdienst beschäftigt ist, in einen anderen Dienst gegen dessen Willen mit der Begründung vornimmt, dass dieser die Einhaltung der in Art. 6 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen durchschnittlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit im Einsatzdienst verlangt hat. Der Umstand, dass einem solchen Arbeitnehmer durch diese Umsetzung neben dem Nachteil, der sich aus der Verletzung von Art. 6 Buchst. b dieser Richtlinie ergibt, kein spezifischer Nachteil entstanden ist, ist in dieser Hinsicht unerheblich.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgericht Halle (Deutschland) mit Entscheidung vom 25. März 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juli 2009, in dem Verfahren
Günter Fuß
gegen
Stadt Halle
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Fuß, vertreten durch Rechtsanwalt M. Geißler,
- der Stadt Halle, vertreten durch Herrn Willecke als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz und M. van Beek als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299, S. 9).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Fuß und dessen Arbeitgeber, der Stadt Halle, über die gegen seinen Willen erfolgte Umsetzung auf einen anderen Dienstposten, als den, den er zuvor als Feuerwehrmann innegehabt hatte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Laut ihrem ersten Erwägungsgrund kodifiziert die Richtlinie 2003/88 aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit die Bestimmungen der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18) in ihrer durch die Richtlinie 2000/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2000 (ABl. L 195, S. 41) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 93/104). Die Richtlinien 93/104 und 2000/34 mussten von den Mitgliedstaaten spätestens bis zum 23. November 1996 bzw. 1. August 2003 in innerstaatliches Recht umgesetzt werden.
Rz. 4
In Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich”) der Richtlinie 2003/88 heißt es:
„(1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.
(2) Gegenstand dieser Richtlinie sind
- die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie
…”
Rz. 5
Art. 6 („Wöchentliche Höchstarbeitszeit”) dieser Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer:
- die wöchentliche Arbeitszeit durch innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern festgelegt wird;
- die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet.”
Rz. 6
Art. 15 („Günstigere Vorschriften”) der Richtlinie 2003/88 lautet:
„Das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifvert...