Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialpolitik. Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Richtlinie 2003/88/EG. Arbeitszeitgestaltung. Art. 1, 3 und 17. Anwendungsbereich. Gelegenheits- und Saisontätigkeit von Personen aufgrund eines ‚Vertrags über den Bildungseinsatz’. Beschränkung der Arbeitszeit dieser Beschäftigten in Ferien- und Freizeitzentren auf 80 Tage pro Jahr. Nationale Regelung, die für diese Beschäftigten keine tägliche Mindestruhezeit vorsieht. Ausnahmen nach Art. 17. Voraussetzungen. Gewährleistung einer gleichwertigen Ausgleichsruhezeit oder in Ausnahmefällen eines angemessenen Schutzes
Beteiligte
Union syndicale „Solidaires Isère” |
Union syndicale Solidaires Isère |
Ministère du Travail, des Relations sociales, de la Famille, de la Solidarité et de la Ville |
Ministère de la Santé et des Sports |
Tenor
1. Personen, die aufgrund von Verträgen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträgen über den Bildungseinsatz Gelegenheits- und Saisontätigkeiten in Ferien- und Freizeitzentren ausüben und pro Jahr höchstens 80 Arbeitstage tätig sind, fallen in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung.
2. Personen, die aufgrund von Verträgen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträgen über den Bildungseinsatz Gelegenheits- und Saisontätigkeiten in Ferien- und Freizeitzentren ausüben, fallen unter die Abweichung in Art. 17 Abs. 3 Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/88.
Eine nationale Regelung, die die Tätigkeit von Personen aufgrund solcher Verträge auf 80 Arbeitstage pro Jahr begrenzt, erfüllt nicht die in Art. 17 Abs. 2 dieser Richtlinie festgelegten Voraussetzungen für die Anwendung der genannten Abweichung, wonach die betroffenen Arbeitnehmer gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher Ruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz erhalten müssen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Conseil d'État (Frankreich) mit Entscheidung vom 2. Oktober 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Oktober 2009, in dem Verfahren
Union syndicale Solidaires Isère
gegen
Premier ministre,
Ministère du Travail, des Relations sociales, de la Famille, de la Solidarité et de la Ville,
Ministère de la Santé et des Sports
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Union syndicale Solidaires Isère, vertreten durch E. Decombard, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und B. Messmer als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Van Hoof und M. van Beek als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299, S. 9).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer von der Union syndicale Solidaires Isère (im Folgenden: Union syndicale) beim Conseil d'État erhobenen Klage auf Nichtigerklärung des in Anwendung des Gesetzes Nr. 2006-586 vom 23. Mai 2006 über den Freiwilligendienst in Vereinen und den Bildungseinsatz erlassenen Dekrets Nr. 2006-950 vom 28. Juli 2006 über den Bildungseinsatz, soweit mit ihm die Art. D. 773-2-1, D. 773-2-2 und D. 773-2-3 in den Code du travail (Arbeitsgesetzbuch) eingefügt wurden, sowie auf Nichtigerklärung der stillschweigenden Entscheidung des Premierministers, den von der Union syndicale gegen dieses Dekret eingelegten Widerspruch zurückzuweisen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Die Richtlinie 89/391/EWG
Rz. 3
Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 findet die Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. L 183, S. 1) „Anwendung auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche (gewerbliche, landwirtschaftliche, kaufmännische, verwaltungsmäßige sowie dienstleistungs- oder ausbildungsbezogene, kulturelle und Freizeittätigkeiten usw.)”.
Rz. 4
Nach ihrem Art. 2 Abs. 2 findet die Richtlinie jedoch „keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen”.
Die Richtlinie 2003/88
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