Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentliche Bauaufträge. Richtlinie 93/37/EWG. Art. 24. Ausschlussgründe. Verpflichtungen in Bezug auf die Entrichtung von Beiträgen zur sozialen Sicherheit sowie von Steuern und Abgaben. Verpflichtung zur Registrierung der Bieter bei Meidung des Ausschlusses. ‚Registrierungsausschuss’ und seine Zuständigkeiten. Prüfung der Gültigkeit der von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats der Niederlassung der ausländischen Bieter ausgestellten Bescheinigungen
Beteiligte
Bâtiments und Ponts Construction und WISAG Produktionsservice |
Bâtiments et Ponts Construction SA |
WISAG Produktionsservice GmbH, vormals ThyssenKrupp Industrieservice GmbH |
Tenor
1. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die einen Unternehmer, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, verpflichtet, für die Erteilung eines öffentlichen Auftrags im Mitgliedstaat des öffentlichen Auftraggebers im letztgenannten Mitgliedstaat Inhaber einer Registrierung in Bezug auf das Nichtvorliegen der in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge aufgeführten Ausschlussgründe zu sein, sofern eine solche Verpflichtung die Beteiligung des Unternehmers an dem betreffenden Vergabeverfahren weder erschwert noch verzögert und keine übermäßigen Verwaltungskosten verursacht und sie ferner allein der Überprüfung der beruflichen Eignung des Betroffenen im Sinne dieser Bestimmung dient.
2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach mit der Überprüfung der Bescheinigungen, die einem Unternehmer aus einem anderen Mitgliedstaat von den Steuer- und Sozialbehörden dieses Mitgliedstaats ausgestellt worden sind, eine andere Stelle als der öffentliche Auftraggeber betraut ist, wenn
- sich diese Stelle mehrheitlich aus Personen zusammensetzt, die von den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmerorganisationen des Baugewerbes der Provinz benannt sind, in der das betreffende öffentliche Vergabeverfahren abläuft, und
- sich diese Befugnis auf eine inhaltliche Kontrolle der Gültigkeit dieser Bescheinigungen erstreckt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour de cassation (Belgien) mit Entscheidung vom 22. Januar 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Februar 2009, in dem Verfahren
Bâtiments et Ponts Construction SA,
WISAG Produktionsservice GmbH, vormals ThyssenKrupp Industrieservice GmbH,
gegen
Berlaymont 2000 SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis und J. Malenovský,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: N. Nanchev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Bâtiments et Ponts Construction SA und der WISAG Produktionsservice GmbH, vormals ThyssenKrupp Industrieservice GmbH, vertreten durch D. Lagasse und E. van Nuffel, avocats,
- der Berlaymont 2000 SA, vertreten durch X. Dieux, J.-P. Gunther, J.-Q. De Cuyper, C. Breuvart und S. Bartholomeeusen, avocats,
- der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux und C. Pochet als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Konstantinidis und J.-B. Laignelot als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. April 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 EG und 50 EG sowie der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere des Art. 24 der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Bâtiments et Ponts Construction SA (im Folgenden: BPC), einer Gesellschaft belgischen Rechts, und der WISAG Produktionsservice GmbH (im Folgenden: WIG), vormals ThyssenKrupp Industrieservice GmbH, davor WIG Industrieinstandhaltung GmbH, einer Gesellschaft deutschen Rechts, gegen Berlaymont 2000 SA (im Folgenden: Berlaymont 2000), eine Gesellschaft belgischen Rechts, in dem es darum geht, dass die Letztgenannte als öffentliche Auftraggeberin die hierfür von den beiden erstgenannten Unternehmen gebildete Arbeitsgemeinschaft von der Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung von Bauarbeiten ausgeschlossen hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die für das Ausgangsverfahren einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 93/37, die inzwischen durch die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 1...