Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Fakultative Ausschlussgründe. Vereinbarungen mit anderen Wirtschaftsteilnehmern, die auf eine Verzerrung des Wettbewerbs abzielen. Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung der Bieter. In der Richtlinie 2014/24/EU festgelegte Ausschlussgründe und Auswahlkriterien. Bieter, die eine wirtschaftliche Einheit bilden und getrennte, weder eigenständige noch unabhängige Angebote abgegeben haben. Erforderlichkeit hinreichend plausibler Anhaltspunkte für den Nachweis eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV
Normenkette
Richtlinie 2014/24/EU Art. 57 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. d; Richtlinie 2014/25/EU Art. 36 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1
Beteiligte
J. Sch. Omnibusunternehmen und K. Reisen |
Landkreis Aichach-Friedberg |
J. Sch. Omnibusunternehmen |
Tenor
1. Art. 57 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 der Kommission vom 18. Dezember 2017 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2364 der Kommission vom 18. Dezember 2017 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
der in diesem Art. 57 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. d genannte fakultative Ausschlussgrund Situationen, in denen hinreichend plausible Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Wirtschaftsteilnehmer eine gegen Art. 101 AEUV verstoßende Vereinbarung geschlossen haben, erfasst, aber nicht auf die in diesem Artikel angeführten Vereinbarungen beschränkt ist.
2. Art. 57 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 in der durch die Delegierte Verordnung 2017/2365 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2014/25 in der durch die Delegierte Verordnung 2017/2364 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
dieser Art. 57 Abs. 4 die fakultativen Ausschlussgründe abschließend regelt, mit denen der Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren aus Gründen gerechtfertigt werden kann, die sich, gestützt auf objektive Anhaltspunkte, auf seine berufliche Eignung sowie auf einen Interessenkonflikt oder eine aus seiner Einbeziehung in dieses Verfahren resultierende Wettbewerbsverzerrung beziehen. Aus diesem Art. 57 Abs. 4 ergibt sich jedoch nicht, dass der in Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25 in der durch die Delegierte Verordnung 2017/2364 geänderten Fassung vorgesehene Gleichbehandlungsgrundsatz der Vergabe des in Rede stehenden Auftrags an Wirtschaftsteilnehmer, die eine wirtschaftliche Einheit bilden und deren Angebote trotz getrennter Abgabe weder eigenständig noch unabhängig sind, nicht entgegenstehen könnte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bayerischen Obersten Landesgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. Juni 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juli 2021, in dem Verfahren
Landkreis Aichach-Friedberg
gegen
J. Sch. Omnibusunternehmen,
K. Reisen GmbH,
Beteiligte:
E. GmbH & Co. KG,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos (Berichterstatter), der Richter S. Rodin und J.-C. Bonichot sowie der Richterinnen L. S. Rossi und O. Spineanu-Matei,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Landkreises Aichach-Friedberg, vertreten durch Rechtsanwalt R. Wiemann,
- von J. Sch. Omnibusunternehmen und der K. Reisen GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte J. R. Eydner und A. Kafedžić,
- der E. GmbH & Co. KG, vertreten durch die Rechtsanwälte H. Holz, S. Janka und U.-D. Pape,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Santini, Avvocato dello Stato,
- der litauischen Regierung, vertreten durch K. Dieninis, V. Kazlauskaitė-Švenčionienė und E. Kurelaitytė als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Ondrůšek und G. Wils als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) in der durch ...