Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Richtlinie 93/36/EWG. Öffentliche Lieferaufträge. Lieferung einer Software zur Verwaltung der Kraftfahrzeugzulassung. Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung

 

Beteiligte

Kommission / Deutschland

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge verstoßen, dass die Datenzentrale Baden-Württemberg einen öffentlichen Auftrag über die Lieferung einer Software zur Verwaltung der Kraftfahrzeugzulassung im Wege des Verhandlungsverfahrens ohne öffentliche Vergabebekanntmachung vergeben hat.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 24. Juni 2008,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Wilms und D. Kukovec als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer K. Lenaerts (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász, J. Malenovský und T. von Danwitz,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2009,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 199, S. 1) verstoßen hat, dass die Datenzentrale Baden-Württemberg (DZBW) einen öffentlichen Auftrag über die Lieferung einer Software zur Verwaltung der Kraftfahrzeugzulassung im Wege des Verhandlungsverfahrens ohne öffentliche Vergabebekanntmachung vergeben hat.

Rechtlicher Rahmen

Die Richtlinie 89/665

Rz. 2

Aus dem zweiten und dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) geht hervor, dass der Zweck dieser Richtlinie darin besteht, die Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens durch Möglichkeiten einer wirksamen und raschen Nachprüfung zu gewährleisten, vor allem dann, wenn Verstöße noch beseitigt werden können.

Rz. 3

Hierzu sieht Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 vor:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinien … fallenden Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge die Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der nachstehenden Artikel, insbesondere von Artikel 2 Absatz 7, auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.”

Rz. 4

In Art. 2 der Richtlinie 89/665 heißt es:

„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die in Artikel 1 genannten Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden,

  1. damit so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; …

(6) Die Wirkungen der Ausübung der in Absatz 1 genannten Befugnisse auf den nach Zuschlagserteilung des Auftrags geschlossenen Vertrag richten sich nach dem einzelstaatlichen Recht.

Abgesehen von dem Fall, in dem eine Entscheidung vor Zuerkennung von Schadensersatz aufgehoben werden muss, kann ein Mitgliedstaat ferner vorsehen, dass nach dem Vertragsschluss im Anschluss an die Zuschlagserteilung die Befugnisse der Nachprüfungsinstanz darauf beschränkt werden, einer durch einen Rechtsverstoß geschädigten Person Schadensersatz zuzuerkennen.

(7) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Entscheidungen der für Nachprüfungsverfahren zuständigen Instanzen wirksam durchgesetzt werden können.

…”

Die Richtlinie 93/36

Rz. 5

Die Richtlinie 93/36 sieht in ihrem Art. 6 Abs. 2 bis 4 vor:

„(2) Die öffentlichen Auftraggeber können Lieferaufträge im Verhandlungsverfahren vergeben, wenn im Rahmen eines offenen oder...

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