Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Materielle Selektivität. Besteuerungssystem. Gibraltar. ‚Offshore-Unternehmen’
Beteiligte
Kommission / Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich |
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland |
Tenor
1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 18. Dezember 2008, Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich/Kommission (T-211/04 und T-215/04), wird aufgehoben.
2. Die Klage des Government of Gibraltar und die Klage des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland werden abgewiesen.
3. Das Government of Gibraltar und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission und des Königreichs Spanien im Rechtsmittelverfahren sowie die Kosten der Europäischen Kommission im ersten Rechtszug.
4. Das Königreich Spanien und Irland als Streithelfer vor dem Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften bzw. vor dem Gerichtshof der Europäischen Union tragen ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 16. März 2009,
Europäische Kommission (C-106/09 P), vertreten durch R. Lyal, V. Di Bucci und N. Khan als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Government of Gibraltar, vertreten durch J. Temple Lang, Solicitor, M. Llamas, Barrister, und A. Petersen, advokat,
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch I. Rao als Bevollmächtigte im Beistand von D. Anderson, QC, und M. Gray, Barrister,
Kläger im ersten Rechtszug,
unterstützt durch
Irland, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von B. Doherty, Barrister, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelfer im Rechtsmittelverfahren,
Königreich Spanien, vertreten durch N. Díaz Abad und J. M. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelfer im ersten Rechtszug,
und
Königreich Spanien (C-107/09 P), vertreten durch N. Díaz Abad und J. M. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführer,
andere Verfahrensbeteiligte:
Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal, V. Di Bucci und N. Khan als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Government of Gibraltar, vertreten durch J. Temple Lang, Solicitor, M. Llamas, Barrister, und A. Petersen, advokat,
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch I. Rao als Bevollmächtigte im Beistand von D. Anderson, QC, und M. Gray, Barrister,
Kläger im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodriguez, K. Lenaerts und J.-C. Bonichot, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter A. Rosas, K. Schiemann, E. Juhász, T. von Danwitz (Berichterstatter) und D. Šváby, der Richterin M. Berger sowie des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2010,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. April 2011
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und das Königreich Spanien die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 18. Dezember 2008, Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich/Kommission (T-211/04 und T-215/04, Slg. 2008, II-3745, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem die Entscheidung 2005/261/EG der Kommission vom 30. März 2004 über die Beihilferegelung, die das Vereinigte Königreich im Rahmen der Körperschaftsteuerreform der Regierung von Gibraltar beabsichtigt (ABl. 2005, L 85, S. 1, im Folgenden: streitige Entscheidung), für nichtig erklärt worden ist.
I – Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) bestimmt:
„Förmliches Prüfverfahren
(1) Die Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens enthält eine Zusammenfassung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen, eine vorläufige Würdigung des Beihilfecharakters der geplanten Maßnahme durch die Kommission und Ausführungen über ihre Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt. Der betreffende Mitgliedstaat und die anderen Beteiligten werden in dieser Entscheidung zu einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von normalerweise höchstens einem Monat aufgefordert. In ordnungsgemäß begründeten Fällen kann die Kommission diese Frist verlängern.
(2) Die von der Kommission erhaltenen Stellungnahmen werden dem betreffenden Mitgliedstaat...