Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Selbständige Handelsvertreter. Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten. Belgisches Umsetzungsgesetz. Handelsvertretervertrag. In Belgien ansässiger Unternehmer und in der Türkei ansässiger Handelsvertreter. Rechtswahlklausel zugunsten des belgischen Rechts. Unanwendbares Gesetz. Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Vereinbarkeit
Normenkette
Richtlinie 86/653/EWG
Beteiligte
Agro Foreign Trade & Agency |
Agro Foreign Trade & Agency Ltd |
Tenor
Die Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter sowie das von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits am 12. September 1963 in Ankara unterzeichnete und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 im Namen der Gemeinschaft geschlossene, gebilligte und bestätigte Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, mit der diese Richtlinie in das Recht des betreffenden Mitgliedstaats umgesetzt wird und die einen Handelsvertretervertrag, bei dem der Handelsvertreter in der Türkei ansässig ist, wo er die sich aus dem Vertrag ergebenden Tätigkeiten ausübt, und der Unternehmer in diesem Mitgliedstaat ansässig ist, von ihrem Anwendungsbereich ausschließt, so dass sich der Handelsvertreter unter solchen Umständen nicht auf die Rechte berufen kann, die die Richtlinie Handelsvertretern nach der Beendigung eines solchen Handelsvertretervertrags einräumt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank van Koophandel te Gent (Handelsgericht Gent, Belgien) mit Entscheidung vom 3. September 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 24. September 2015, in dem Verfahren
Agro Foreign Trade & Agency Ltd
gegen
Petersime NV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Regan, J.-C. Bonichot, C. G. Fernlund und S. Rodin,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Agro Foreign Trade & Agency Ltd, vertreten durch A. Hansebout und C. Vermeersch, advocaten,
- der Petersime NV, vertreten durch V. Pede, S. Demuenynck und J. Vanherpe, advocaten,
- der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von E. De Gryse, avocat, und E. de Duve, advocaat,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Ronkes Agerbeek, M. Wilderspin und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Oktober 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. 1986, L 382, S. 17) sowie des von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits am 12. September 1963 in Ankara unterzeichneten und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685) im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (im Folgenden: Assoziierungsabkommen).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Agro Foreign Trade & Agency Ltd (im Folgenden: Agro) mit Sitz in der Türkei und der Petersime NV mit Sitz in Belgien über verschiedene Ausgleichszahlungen, die Petersime infolge ihrer Kündigung des Handelsvertretervertrags zwischen diesen beiden Gesellschaft angeblich schuldet.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 86/653
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie 86/653 heißt es:
Die Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Handelsvertretungen beeinflussen die Wettbewerbsbedingungen und die Berufsausübung innerhalb der Gemeinschaft spürbar und beeinträchtigen den Umfang des Schutzes der Handelsvertreter in ihren Beziehungen zu ihren Unternehmen sowie die Sicherheit im Handelsverkehr. Diese Unterschiede erschweren im Übrigen auch erheblich den Abschluss und die Durchführung von Handelsvertreterverträgen zwischen einem Unternehmer und einem Handelsvertreter, die in verschiedenen Mitgliedstaaten niedergelassen sind.
Der Warenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten muss unter Bedingungen erfolgen, die denen eines Binnenmarktes entsprechen, weswegen die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in dem zum guten Funktionieren des Gemeinsamen ...