Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Übergang von Unternehmen. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer. Ausnahmen. Insolvenzverfahren. Verfahren der gerichtlichen Reorganisation durch Übertragung unter der Autorität des Gerichts. Erhaltung der Gesamtheit oder eines Teils des Unternehmens. Nationale Rechtsvorschriften, die es dem Erwerber nach der Übertragung erlauben, Arbeitnehmer seiner Wahl zu übernehmen
Normenkette
Richtlinie 2001/23/EG Art. 3 bis 5
Beteiligte
Tenor
Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen, insbesondere ihre Art. 3 bis 5, ist dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die im Fall eines Unternehmensübergangs, der im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens der Reorganisation durch Übertragung unter der Autorität des Gerichts erfolgt, das angewandt wurde, um die Gesamtheit oder einen Teil des Unternehmens des Veräußerers oder seiner Tätigkeiten zu erhalten, für den Erwerber das Recht vorsehen, die Arbeitnehmer auszuwählen, die er übernehmen möchte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Arbeidshof te Antwerpen, afdeling Hasselt (Arbeitsgerichtshof Antwerpen, Abteilung Hasselt, Belgien) mit Entscheidung vom 14. August 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 21. August 2017, in dem Verfahren
Christa Plessers
gegen
Prefaco NV,
Belgische Staat
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer M. Vilaras in Wahrnehmung der Aufgaben der Präsidentin der Dritten Kammer sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), L. Bay Larsen, M. Safjan und D. Šváby,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Oktober 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Plessers, vertreten durch J. Nulens und M. Liesens, advocaten,
- der Prefaco NV, vertreten durch J. Van Acker und S. Sonck, advocaten,
- der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von C. Raymaekers, advocaat,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und M. Van Hoof als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Januar 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 bis 5 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 2001, L 82, S. 16).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Christa Plessers auf der einen Seite und der Prefaco NV und dem belgischen Staat auf der anderen Seite über die Rechtmäßigkeit ihrer Kündigung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23 bestimmt:
„Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.”
Rz. 4
Art. 4 der Richtlinie 2001/23 lautet:
„Der Übergang eines Unternehmens, Betriebs oder Unternehmens- bzw. Betriebsteils stellt als solcher für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung dar. Diese Bestimmung steht etwaigen Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegen.
Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass Unterabsatz 1 auf einige abgegrenzte Gruppen von Arbeitnehmern, auf die sich die Rechtsvorschriften oder die Praxis der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Kündigungsschutzes nicht erstrecken, keine Anwendung findet.
- Kommt es zu einer Beendigung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses, weil der Übergang eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen zum Nachteil des Arbeitnehmers zur Folge hat, so ist davon auszugehen, dass die Beendigung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber erfolgt ist.”
Rz. 5
In Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 heißt es:
„Sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes vorsehen, gelten die Artikel 3 und 4 nicht für Übergänge von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen, bei denen gegen den Veräußerer unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle (worunter auch ein von einer zuständigen Behörde ermächtigter Insolvenzverwalter verstanden werden kann) ein Konkursverfahren oder ein entsprechendes Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet wurde.”
Belgisches Recht
Rz. 6
Art...