Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsangleichung. Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Richtlinie 80/987/EWG. Art. 8a. Tätigkeiten in mehreren Mitgliedstaaten
Beteiligte
Tenor
Art. 8a der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in der durch die Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass es nicht erforderlich ist, dass ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen über eine Zweigniederlassung oder eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat verfügt, damit es als im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats tätig angesehen wird. Dieses Unternehmen muss aber im letztgenannten Staat über eine feste wirtschaftliche Präsenz verfügen, die durch das Vorhandensein von Personal gekennzeichnet ist, das es ihm ermöglicht, dort Tätigkeiten zu entfalten. Im Fall eines in einem Mitgliedstaat ansässigen Transportunternehmens lässt sich allein daraus, dass ein von diesem dort angestellter Arbeitnehmer Warenlieferungen zwischen diesem Staat und einem anderen Mitgliedstaat durchführt, nicht schließen, dass das Unternehmen über eine feste wirtschaftliche Präsenz in einem anderen Mitgliedstaat verfügt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Lunds tingsrätt (Schweden) mit Entscheidung vom 28. Juni 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Juli 2007, in dem Verfahren
Svenska staten, vertreten durch Tillsynsmyndigheten i konkurser,
gegen
Anders Holmqvist
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis und J. Malenovský,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Tillsynsmyndigheten i konkurser, vertreten durch B. Andersson als Bevollmächtigten,
- von Herrn Holmqvist, vertreten durch den Juristen A. Alfredson,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadis, E.-M. Mamouna und S. Alexandriou als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von F. Arena, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und Y. de Vries als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Gibbs als Bevollmächtigte im Beistand von D. Rhee, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Enegren als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Juni 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8a der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23) in der durch die Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. L 270, S. 10, im Folgenden: Richtlinie 80/987) geänderten Fassung.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem schwedischen Staat, vertreten durch die Tillsynsmyndighet i konkurser (Konkursaufsichtsbehörde, im Folgenden: Behörde), und Herrn Holmqvist, in dem es darum geht, ob Herrn Holmqvist nach dem Konkurs seines Arbeitgebers die nach schwedischem Recht vorgesehene Lohngarantie zu gewähren ist.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Der siebte Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/74 lautet:
„Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit für die Arbeitnehmer von zahlungsunfähigen Unternehmen, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, und zur Festigung der Rechte dieser Arbeitnehmer im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist es angebracht, Bestimmungen einzuführen, die ausdrücklich festlegen, welche Einrichtung in solchen Fällen für die Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche zuständig ist, und deren Ziel die Zusammenarbeit der zuständigen Verwaltungen der Mitgliedstaaten zur schnellstmöglichen Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche ist. Ferner ist es angebracht, eine ordnungsgemäße Anwendung der einschlägigen Bestimmungen dadurch zu gewährleisten, dass eine Zusammenarbeit der zuständigen Verwaltungen der Mitgliedstaaten vorgesehen wird.”
4 Art. 8a der Richtlinie 80/987 sieht vor:
„(1) Ist ein Unternehmen, das im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten tätig ist, zahlungsunfähig im Sinne von Artikel 2 Absatz 1, so ist für die Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche...