Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Ausübung der Rechte der betroffenen Person über die zuständige Aufsichtsbehörde. Prüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung. Mindestverpflichtung zur Unterrichtung der betroffenen Person. Umfang. Gültigkeit. Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen die Aufsichtsbehörde. Begriff ‚rechtsverbindlicher Beschluss‘. Überwachung durch eine unabhängige Stelle. Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

 

Normenkette

EURL 680/2016 Art. 17, 17 Abs. 3, Art. 53; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 8 Abs. 3, Art. 47

 

Beteiligte

Ligue des droits humains (Vérification du traitement des données par l’autorité de contrôle)

Ligue des droits humains ASBL

BA

Organe de contrôle de l’information policière

 

Tenor

1.Art. 17 in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1 Buchst. g, Art. 47 Abs. 1 und 2 und Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates sowie in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

ist dahin auszulegen, dass

dass eine Person, wenn ihre Rechte in Anwendung von Art. 17 dieser Richtlinie über die zuständige Aufsichtsbehörde ausgeübt worden sind und diese Behörde sie über das Ergebnis der durchgeführten Prüfungen unterrichtet, über einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen den Beschluss dieser Behörde, das Überprüfungsverfahren abzuschließen, verfügen muss.

2.Die Prüfung der zweiten Frage hat nichts ergeben, was geeignet wäre, die Gültigkeit von Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2016/680 zu berühren.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-333/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) mit Entscheidung vom 9. Mai 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Mai 2022, in dem Verfahren

Ligue des droits humains ASBL,

BA

gegen

Organe de contrôle de l’information policière

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter Z. Csehi, M. Ilešič, I. Jarukaitis und D. Gratsias (Berichterstatter),

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: M. Siekierzyńska, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        der Ligue des droits humains ASBL und von BA, vertreten durch C. Forget, Avocate,
  • –        des Organe de contrôle de l’information policière (OCIP), vertreten durch J. Bosquet und J.-F. De Bock, Advocaten,
  • –        der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin, J.-C. Halleux, C. Pochet und A. Van Baelen als Bevollmächtigte im Beistand von N. Cariat, C. Fischer, B. Lombaert und J. Simba, Avocats,
  • –        der tschechischen Regierung, vertreten durch O. Serdula, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • –        der französischen Regierung, vertreten durch J. Illouz als Bevollmächtigten,
  • –        des Europäischen Parlaments, vertreten durch S. Alonso de León, O. Hrstková Šolcová, P. López-Carceller und M. Thibault als Bevollmächtigte,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Bouchagiar, H. Kranenborg, A.-C. Simon und F. Wilman als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. Juni 2023

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft zum einen die Auslegung von Art. 8 Abs. 3 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und zum anderen die Gültigkeit von Art. 17 der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. 2016, L 119, S. 89) im Hinblick auf die genannten Bestimmungen der Charta.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Ligue des droits humains ASBL und BA auf der einen Seite und dem Organe de contrôle de l’information policière (OCIP) (Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen, Belgien) auf der anderen Seite über die Ausübung der Rechte von BA über das OCIP in Bezug auf BA betreffende personenbezogene Daten, die von den belgischen Polizeidiensten verarbeitet wurden und die der Ablehnung eines Antrags von BA auf eine Sicherheitsbescheinigung durch die Autorité nationale de sécurité (Nationale Sicherheitsbeh...

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