Entscheidungsstichwort (Thema)
Schutz personenbezogener Daten. Unionsbürgerschaft. Grundsätzliches Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Richtlinie 95/46/EG. Begriff der Erforderlichkeit. Generelle Verarbeitung personenbezogener Daten von Unionsbürgern, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind. Zentrales Ausländerregister
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
1. Ein System zur Verarbeitung personenbezogener Daten von Unionsbürgern, die keine Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats sind, wie das System, das mit dem Gesetz über das Ausländerzentralregister vom 2. September 1994 in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juni 2005 eingerichtet wurde und das die Unterstützung der mit der Anwendung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften betrauten nationalen Behörden bezweckt, entspricht nur dann dem im Licht des Verbots jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ausgelegten Erforderlichkeitsgebot gemäß Art. 7 Buchst. e der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, wenn
- es nur die Daten enthält, die für die Anwendung der entsprechenden Vorschriften durch die genannten Behörden erforderlich sind, und
- sein zentralisierter Charakter eine effizientere Anwendung dieser Vorschriften in Bezug auf das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern erlaubt, die keine Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats sind.
Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diese Umstände im Ausgangsverfahren zu prüfen.
Jedenfalls lassen sich die Speicherung und Verarbeitung von namentlich genannte Personen betreffenden personenbezogenen Daten im Rahmen eines Registers wie des Ausländerzentralregisters zu statistischen Zwecken nicht als erforderlich im Sinne von Art. 7 Buchst. e der Richtlinie 95/46 ansehen.
2. Art. 12 Abs. 1 EG ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, zur Bekämpfung der Kriminalität ein System zur Verarbeitung personenbezogener Daten zu errichten, das nur Unionsbürger erfasst, die keine Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Deutschland) mit Entscheidung vom 15. Dezember 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Dezember 2006, in dem Verfahren
Heinz Huber
gegen
Bundesrepublik Deutschland
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans und K. Lenaerts sowie der Richter P. Kūris, G. Arestis, U. Lõhmus, E. Levits (Berichterstatter) und L. Bay Larsen,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Huber, vertreten durch Rechtsanwalt A. Widmann,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte im Beistand von Universitätsprofessor K. Hailbronner,
- der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,
- der dänischen Regierung, vertreten durch B. Weis Fogh als Bevollmächtigte,
- der hellenischen Regierung, vertreten durch E.-M. Mamouna und K. Boskovits als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster, C. M. Wissels und C. ten Dam als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch E. O'Neill als Bevollmächtigte im Beistand von J. Stratford, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Docksey und C. Ladenburger als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. April 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 1 EG in Verbindung mit den Art. 17 EG und 18 EG sowie von Art. 43 Abs. 1 EG und Art. 7 Buchst. e der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Huber, einem österreichischem Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Deutschland, und der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), über den Antrag von Herrn Huber, die ihn betreffenden Daten im Ausländerzentralregister (im Folgenden: AZR) zu löschen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Der achte Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46 lautet:
„Zur Beseitigung der Hemmnisse für den...