Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt und ihre Rückforderung angeordnet wird. Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes
Beteiligte
Kahla/Thüringen Porzellan / Kommission |
Kahla Thüringen Porzellan GmbH |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Kahla Thüringen Porzellan GmbH trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 3. Dezember 2008,
Kahla Thüringen Porzellan GmbH mit Sitz in Kahla (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt M. Schütte, Rechtsanwältin S. Zühlke und Rechtsanwalt P. Werner,
Rechtsmittelführerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Freistaat Thüringen, vertreten durch Rechtsanwälte A. Weitbrecht und M. Núñez-Müller,
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und W.-D. Plessing als Bevollmächtigte,
Streithelfer im ersten Rechtszug,
Europäische Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz und K. Gross als Bevollmächtigte im Beistand von Professor C. Koenig, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter J.-J. Kasel, A. Borg Barthet und E. Levits sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2010,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Kahla Thüringen Porzellan GmbH die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 24. September 2008, Kahla Thüringen Porzellan/Kommission (T-20/03, Slg. 2008, II-2305, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung 2003/643/EG der Kommission vom 13. Mai 2003 über die staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten der Kahla Porzellan GmbH und der Kahla/Thüringen Porzellan GmbH (ABl. L 227, S. 12, im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 2
Die im November 1993 gegründete Rechtsmittelführerin übernahm im Januar 1994 die Grundstücke, Maschinen und Anlagen sowie 380 Beschäftigte der in Gesamtvollstreckung befindlichen Gesellschaft Kahla Porzellan GmbH. Das zuletzt genannte Unternehmen, das Geschirr aus Porzellan und Feinkeramik herstellte, hatte seinen Standort in Thüringen, einem der Fördergebiete nach Art. 87 Abs. 3 Buchst. a EG.
Rz. 3
Für diese Region hatte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften u. a. zwei allgemeine Beihilferegelungen genehmigt, und zwar mit Entscheidung vom 27. Oktober 1993 das Programm des Landes Thüringen zugunsten von Investitionen für kleine und mittlere Unternehmen (Investitionsbeihilfeprogramm für KMU des Landes Thüringen, Beihilfesache N 408/93 – SG[93] D/19245, ABl. C 335, S. 7) und mit Entscheidung vom 21. Dezember 1994 ein Programm, das Beschäftigungsmaßnahmen in den Sektoren Umwelt und Sozialdienste und zugunsten Jugendlicher in den neuen Bundesländern vorsah (Beihilfesache NN 117/92 – SG[95] D/341, ABl. C 401, S. 2).
Rz. 4
Der streitigen Entscheidung ist zu entnehmen, dass die deutschen Behörden der Rechtsmittelführerin zwischen 1994 und 1999 im Rahmen dieser Regelungen 23 Finanzbeihilfen in einer Gesamthöhe von 39,028 Millionen DM gewährten. Zu diesen Maßnahmen zählten ein Investitionszuschuss für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Höhe von 2,5 Millionen DM, der im Mai 1994 vom Land Thüringen gewährt wurde (im Folgenden: Maßnahme 15), und Zuschüsse zur Förderung der Beschäftigung im Zusammenhang mit Umweltschutzinvestitionen in Höhe von insgesamt 1,549 Millionen DM, die von der Bundesanstalt für Arbeit zwischen 1994 und 1996 nach § 249h des Arbeitsförderungsgesetzes (im Folgenden: AFG) gewährt wurden (im Folgenden: Maßnahme 26).
Rz. 5
In Bezug auf die Maßnahme 15 stellte die Kommission jedoch in den Randnrn. 128 und 129 der streitigen Entscheidung fest, dass sie nicht mit der zuvor genehmigten Beihilferegelung vereinbar sei, da zum Zeitpunkt der Gewährung des betreffenden Zuschusses die Rechtsmittelführerin als Unternehmen in Schwierigkeiten anzusehen gewesen sei, diese Kategorie von Unternehmen aber ausdrücklich vom Anwendungsbereich der betreffenden Regelung ausgeschlossen gewesen sei. Die Kommission hatte im Übrigen in der Zwischenzeit die Entscheidung 2003/225/EG vom 19. Juni 2002 über das Programm des Landes Thüringen zugunsten von Investitionen für kleine und mittlere Unternehmen und seine Anwendung im Einzelfall (ABl. L 91, S. 1) erlassen, mit der sie diese Regelung verwarf, da sie entgegen den Sonderbestimmungen der von der Kommission genehmigten Beihilferegelung u. a. auf Unternehmen in Schwierigkeite...