Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsangleichung. Richtlinie 86/653/EWG. Selbständige Handelsvertreter. Provisionsanspruch eines Vertreters, dem ein Bezirk zugewiesen ist. Geschäftsabschlüsse ohne Beteiligung des Unternehmers
Beteiligte
Erben von Paul Chevassus-Marche |
Société Kro beer brands SA (BKSA) |
Société Évian eaux minérales d'Évian SA (SAEME) |
Tenor
Art. 7 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist so auszulegen, dass ein Handelsvertreter, dem ein bestimmter Bezirk zugewiesen ist, keinen Anspruch auf Provision für ein Geschäft hat, das ein Kunde, der diesem Bezirk angehört, mit einem Dritten abgeschlossen hat, ohne dass der Unternehmer unmittelbar oder mittelbar an diesem Geschäft beteiligt war.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 19. Dezember 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Januar 2007, in dem Verfahren
Erben von Paul Chevassus-Marche
gegen
Groupe Danone,
Société Kro beer brands SA (BKSA),
Société Évian eaux minérales d'Évian SA (SAEME)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ilešič und E. Levits,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Erben von P. Chevassus-Marche, vertreten durch die SCP Waquet, Farge et Hazan, avocats,
- der Unternehmen Groupe Danone, Kro beer brands SA (BKSA) und Évian eaux minérales d'Évian SA (SAEME), vertreten durch die SCP Célice, Blancpain et Soltner, avocats,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A.-L. During als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und A. Dittrich als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk und A. Bordes als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. L 382, S. 17, im Folgenden: Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Erben von P. Chevassus-Marche einerseits und den Unternehmen Groupe Danone, Kro beer brands SA und Évian eaux minérales d'Évian SA andererseits über die Zahlung von Provisionen, die die genannten Unternehmen Herrn Chevassus-Marche schulden sollen.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Nach der Definition in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie ist Handelsvertreter, „wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für eine andere Person (im Folgenden Unternehmer genannt) den Verkauf oder den Ankauf von Waren zu vermitteln oder diese Geschäfte im Namen und für Rechnung des Unternehmers abzuschließen”.
Rz. 4
Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie lautet:
„Der Unternehmer hat sich gegenüber dem Handelsvertreter nach den Geboten von Treu und Glauben zu verhalten.”
Rz. 5
Art. 7 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Für ein während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenes Geschäft hat der Handelsvertreter Anspruch auf die Provision,
- wenn der Geschäftsabschluss auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist oder
- wenn das Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen wurde, den er bereits vorher für Geschäfte gleicher Art als Kunden geworben hatte.
(2) Für ein während der Vertragsverhältnisse abgeschlossenes Geschäft hat der Handelsvertreter ebenfalls Anspruch auf die Provision,
- wenn ihm ein bestimmter Bezirk oder Kundenkreis zugewiesen ist oder
- wenn er die Alleinvertretung für einen bestimmten Bezirk oder Kundenkreis hat
und sofern das Geschäft mit einem Kunden abgeschlossen worden ist, der diesem Bezirk oder dieser Gruppe angehört.
Die Mitgliedstaaten müssen in ihr Recht die eine oder die andere der unter den beiden obigen Gedankenstrichen enthaltenen Alternativen aufnehmen.”
Rz. 6
Zur Entstehung des Provisionsanspruchs heißt es in Art. 10 Abs. 1 und 2 der Richtlinie:
„(1) Der Anspruch auf Provision besteht, sobald und soweit eines der folgenden Ereignisse eintritt:
- der Unternehmer hat das Geschäft ausgeführt;
- der Unternehmer hätte nach dem Vertrag mit dem Dritten das Geschäft ausführen sollen;
- der Dritte hat das Geschäft ausgeführt.
(2) Der Anspruch auf Provision besteht spätestens, wenn der Dritte seinen Teil des Geschäfts ausgeführt hat oder ausgeführt haben müsste, falls der Unternehmer seinen Teil des Geschäfts ausgeführt hätte.”
Rz. 7
Zum Erlöschen des Provisionsanspruchs sieht Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie Folgendes vor:
„Der Anspruch auf Provision erlischt ...