Entscheidungsstichwort (Thema)
Nationale Maßnahme im Hinblick auf Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG). Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Referendar. Vorbereitungsdienst in einem anderen Mitgliedstaat. Auf den inländischen Teil der Reise begrenzte Erstattung der Reisekosten
Normenkette
EGV Art. 48
Beteiligte
Tenor
Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) steht einer nationalen Maßnahme entgegen, die einer Person, die im Rahmen eines Vorbereitungsdienstes eine tatsächliche und echte Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsmitgliedstaat ausgeübt hat, einen Anspruch auf Erstattung ihrer Reisekosten nur in der Höhe gewährt, die auf den inländischen Teil der Reise entfällt, obwohl nach dieser Maßnahme sämtliche Reisekosten erstattet worden wären, wenn eine solche Tätigkeit im Inland ausgeübt worden wäre.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 17. Dezember 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 2. März 2004, in dem Verfahren
Karl Robert Kranemann
gegen
Land Nordrhein-Westfalen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie des Richters K. Lenaerts (Berichterstatter), der Richterin N. Colneric und der Richter K. Schiemann und E. Levits,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn K. R. Kranemann, der sich selbst vertritt,
- des Landes Nordrhein-Westfalen, vertreten durch M. Statthalter als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Rozet und H. Kreppel als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Januar 2005,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG). Es ergeht im Rahmen einer Klage, die Herr Kranemann, ein Rechtsreferendar, der einen Teil seines Vorbereitungsdienstes im Vereinigten Königreich absolvierte, gegen die Weigerung des Landes Nordrhein-Westfalen erhoben hat, ihm die Fahrtauslagen für eine Strecke außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets zu seinem Ausbildungsort zu erstatten.
Nationaler rechtlicher Rahmen
2
§ 7 Absatz 4 Unterabsätze 4 und 5 der Verordnung über die Gewährung von Trennungsentschädigung (im Folgenden: TEVO) des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. April 1988 sieht in der auf den vorliegenden Fall anwendbaren Fassung vom 27. Juni 1994 (GVBl. NW 1994, S. 444) vor, dass einem Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst bei Zuweisung zu einer Wahlstelle im Ausland das Tages- und Übernachtungsgeld nur nach den Sätzen für Inlandsdienstreisen bemessen wird. Die entstandenen Fahrtauslagen werden nur für die niedrigste Klasse regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel bis zum deutschen Grenzort und zurück erstattet.
3
Eine entsprechende Regelung gilt nach § 5 Absatz 4 in Verbindung mit § 7 Absatz 7 TEVO für Reisebeihilfen für Familienheimfahrten während des Vorbereitungsdienstes.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
4
Während des juristischen Vorbereitungsdienstes, der zwingend der zweiten juristischen Staatsprüfung in Deutschland vorausgeht, wurde Herr Kranemann vom 1. August bis 30. November 1995 als Beamter auf Widerruf in einer Anwaltskanzlei in London (Vereinigtes Königreich) ausgebildet.
5
Während dieser Zeit erhielt er vom Land Nordrhein-Westfalen neben seinen Anwärterbezügen eine Trennungsentschädigung in Höhe von 1 686,68 DM. Seinem Antrag auf Erstattung der Reisekosten für die Hin- und Rückreise von seinem Wohnsitz in Aachen (Deutschland) zu seiner Ausbildungsstelle sowie auf Erstattung der Kosten einer Wochenendheimfahrt wurde nur in Höhe von 83,25 DM stattgegeben, was dem Tagegeld für eine mehrtägige Dienstreise und dem Übernachtungsgeld entsprach. Dagegen wurden Herrn Kranemann nicht seine weiteren Fahrtauslagen in Höhe von 539,60 DM erstattet, weil die TEVO die Reisekostenerstattung auf den für die Hin- und Rückreise zum deutschen Grenzort erforderlichen Betrag beschränke und Aachen als inländischer Grenzort angesehen werde.
6
Da die Klage von Herrn Kranemann gegen diese Verweigerung der Erstattung in erster Instanz und in der Berufungsinstanz abgewiesen wurde, legte er Revision an das Bundesverwaltungsgericht ein.
7
In seinem Vorlagebeschluss hat das Bundesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofes noch nicht die Frage geklärt habe, ob Beamte auf Widerruf im juristischen Vorbereitungsdienst (Rechtsreferendare) unter den Arbeitnehmerbegriff im Sinne von Artikel 48 des Vertrages fallen.
8
Außerdem fragt sich das Gericht, ob die Weigerung, Reisekosten für eine Strecke außerhalb des nationalen Hoheitsgebiets zu erstatten, bereits als solche eine hinreichend direkte Behinderung der Freizü...