Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbraucherschutz. Richtlinie 1999/44/EG. Verbrauchsgüterkauf und Garantien für Verbrauchsgüter. Recht des Verkäufers, im Fall der Ersatzlieferung für ein vertragswidriges Verbrauchsgut vom Verbraucher Wertersatz für die Nutzung dieses Gutes zu verlangen. Unentgeltlichkeit der Nutzung des vertragswidrigen Verbrauchsguts
Beteiligte
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände |
Tenor
Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die dem Verkäufer, wenn er ein vertragswidriges Verbrauchsgut geliefert hat, gestattet, vom Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des vertragswidrigen Verbrauchsguts bis zu dessen Austausch durch ein neues Verbrauchsgut zu verlangen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 16. August 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 28. September 2006, in dem Verfahren
Quelle AG
gegen
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ilešič und E. Levits,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Quelle AG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Piekenbrock,
- des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, vertreten durch Rechtsanwälte P. Wassermann und J. Kummer,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu, B. Schima und I. Kaufmann-Bühler als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. November 2007
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. L 171, S. 12, im Folgenden: Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Quelle AG (im Folgenden: Quelle), einem Versandhandelsunternehmen, und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (im Folgenden: Bundesverband), einem qualifizierten Verbraucherverband, den Frau Brüning, eine Kundin von Quelle, zur Durchsetzung ihrer Ansprüche ermächtigt hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Die Richtlinie wurde auf der Grundlage von Art. 95 EG erlassen. In ihrem ersten Erwägungsgrund wird daran erinnert, dass die Europäische Gemeinschaft nach Art. 153 Abs. 1 und 3 EG durch die Maßnahmen, die sie nach Art. 95 EG erlässt, einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus leistet.
Rz. 4
Art. 3 („Rechte des Verbrauchers”) der Richtlinie sieht vor:
„(1) Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht.
(2) Bei Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6.
(3) Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist.
Eine Abhilfe gilt als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die … verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären.
Die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung muss innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen, wobei die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen sind.
(4) Der Begriff ‚unentgeltlich’ in den Absätzen 2 und 3 umfasst die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes notwendigen Kosten, insbesondere Versand-, Arbeits- und Materialkosten.
(5) Der Verbraucher kann eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder eine Vertragsauflösung verlangen,
- wenn der Verbraucher weder Anspruch auf Nachbesserung noch auf Ersatzlieferung hat oder
- wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe ge...