Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Niederlassungsortes. Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Gemeinsame Gläubigerbefriedigung. Feststellung der Stilllegung eines Unternehmens oder eines Betriebes
Normenkette
RL 80/987 Art. 3, 2 Abs. 1
Beteiligte
Lønmodtagernes Garantifond |
Tenor
Ist der Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen niedergelassen, in dem der Arbeitnehmer wohnt und seine Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt hat, so ist die nach Art 3 EWGRL 987/80 des Rates vom 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers für die Befriedigung der Ansprüche dieses Arbeitnehmers im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers zuständige Garantieeinrichtung die Einrichtung des Staates, in dem gemäß Art 2 Abs 1 der Richtlinie entweder die Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung beschlossen oder die Stillegung des Unternehmens oder des Betriebes des Arbeitgebers festgestellt worden ist.
Gründe
1.
Das Østre Landsret hat mit Beschluß vom 27. März 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 12. April 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 3 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Mosbæk und dem Lønmodtagernes Garantifond, der nach der Richtlinie in Dänemark zuständigen Garantieeinrichtung (im folgenden: Fonds) wegen Befriedigung der aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers von Frau Mosbæk nichterfüllt gebliebenen Ansprüche.
3.
Frau Mosbæk, die in Dänemark wohnt, wurde mit Wirkung vom 1. Juni 1993 von der Gesellschaft englischen Rechts Colorgen Ltd als „commercial manager” für Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und später auch Deutschland eingestellt.
4.
Die Colorgen Ltd, die ihren Gesellschaftssitz in Warrington (England) hatte, war in Dänemark weder niedergelassen noch eingetragen, und zwar weder als Unternehmen noch in sonstiger Weise, insbesondere nicht bei der Steuer- oder der Zollverwaltung. Sie wurde in Dänemark nur durch Frau Mosbæk vertreten. Zur Erfüllung der Aufgaben von Frau Mosbæk hatte die Colorgen Ltd ein Büro angemietet.
5.
Während der gesamten Dauer der Beschäftigungszeit wurde Frau Mosbæk das Arbeitsentgelt von der Colorgen Ltd unmittelbar ausbezahlt, ohne daß vom Arbeitgeber nach dänischem Recht Steuerbeträge oder Rentenversicherungs- oder andere Sozialversicherungsbeiträge abgezogen worden wären. 11. Im Juli 1994 wurde über das Vermögen der Colorgen Ltd das Konkursverfahren eröffnet; deren Beschäftigte, darunter auch Frau Mosbæk, wurden entlassen. Gemäß Artikel 3 der Richtlinie meldete Frau Mosbæk sowohl beim Fonds als auch beim englischen Konkursverwalter der Gesellschaft einen nichterfüllten Anspruch in Höhe von 471 996 DKR an Gehalt, Provisionen und Erstattung von beruflichen Aufwendungen an.
6.
Der Fonds lehnte die Begleichung der Forderung mit der Begründung ab, daß hierfür die Garantieeinrichtung des Staates des Sitzes des Arbeitgebers, hier: der National Insurance Fund, zuständig sei.
7.
Am 19. Dezember 1994 erhob Frau Mosbæk gegen den Fonds Klage beim Ret Hillerød (Dänemark).
8. Auf Antrag des Fonds wurde die Rechtssache sodann an den Østre Landsret verwiesen, der es für notwendig erachtet hat, dem Gerichtshof folgende Frage vorzulegen: Stellt in einem Fall, in dem der Arbeitgeber nicht in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, in dem der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat, und der Arbeitgeber dort ausschließlich durch die Arbeit dieses Arbeitnehmers repräsentiert wird, die u. a. von einem vom Arbeitgeber zur Verwendung durch den Arbeitnehmer gemieteten Büroraum aus ausgeführt wird, die Garantieeinrichtung des Landes, in dem der Arbeitgeber niedergelassen ist, oder die Garantieeinrichtung des Landes, in dem der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat, bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gemäß Artikel 3 der Richtlinie 80/987/EWG die Befriedigung der nichterfüllten Ansprüche sicher, die sich aus dem betreffenden Beschäftigungsverhältnis ergeben?
9.
Die Richtlinie soll den Arbeitnehmern bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers unbeschadet günstigerer Bestimmungen der Mitgliedstaaten auf Gemeinschaftsebene einen Mindestschutz gewährleisten. Zu diesem Zweck verpflichtet sie die Mitgliedstaaten, eine Einrichtung zu schaffen, die sicherstellen soll, daß die nichterfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber zahlungsunfähig geworden ist, befriedigt werden.
10.
Artikel 1 Absatz 1 lautet:
„Diese Richtlinie gilt für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 sind.”
11.
Des weiteren bestimmt Art...