Entscheidungsstichwort (Thema)

Stiftung, Zwischensteuer auf Kapitalerträge, Einkünfte aus Beteiligungsveräußerung, Zuwendungen an Nichtgebietsansässige, Abzug der Zuwendungen von der Steuerbemessungsgrundlage, Verbot des Zuwendungsabzugs bei Zuwendungen an Nichtgebietsansässige

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 56 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der eine im Inland ansässige Privatstiftung im Rahmen der Zwischenbesteuerung der von ihr erzielten Kapitalerträge und Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen nur die Zuwendungen von ihrer Steuerbemessungsgrundlage für einen bestimmten Veranlagungszeitraum in Abzug bringen darf, die in diesem Veranlagungszeitraum vorgenommen und im Mitgliedstaat der Besteuerung der Stiftung bei den Begünstigten dieser Zuwendungen besteuert wurden, während diese nationale Steuerregelung einen derartigen Abzug ausschließt, wenn der Begünstigte in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und in dem Mitgliedstaat der Besteuerung der Stiftung aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens von der Steuer, der die Zuwendungen grundsätzlich unterliegen, befreit ist.

 

Normenkette

EGVtr Art. 56

 

Beteiligte

F.E. Familienprivatstiftung Eisenstadt

F. E. Familienprivatstiftung Eisenstadt

Österreichischer Staat

 

Verfahrensgang

VwGH Wien (Österreich) (Beschluss vom 23.10.2013; ABl. EU 2014, Nr. C 71/3)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Art. 56 EG ‐ Zwischensteuer auf von einer inländischen Stiftung erzielte Kapitalerträge und Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen ‐ Versagung des Rechts, Zuwendungen an nicht gebietsansässige Begünstigte, die im Mitgliedstaat der Besteuerung der Stiftung aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht der Steuer unterliegen, von der Steuerbemessungsgrundlage in Abzug zu bringen“

In der Rechtssache C-589/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 23. Oktober 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 19. November 2013, in dem Verfahren

F. E. Familienprivatstiftung Eisenstadt,

Beteiligter:

Unabhängiger Finanzsenat, Außenstelle Wien,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas (Berichterstatter), E. Juhász und D. Šváby,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer, J. Bauer und M. Klamert als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Cordewener, W. Roels und M. Wasmeier als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 Abs. 1 EG.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen einer Beschwerde der F. E. Familienprivatstiftung Eisenstadt (im Folgenden: Privatstiftung) gegen die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Wien (im Folgenden: UFS), mit der es der Privatstiftung versagt wurde, Zuwendungen an Begünstigte in anderen Mitgliedstaaten bei der Berechnung einer Steuer, der sie in den Veranlagungszeiträumen 2001 und 2002 unterlag, zu berücksichtigen.

Österreichisches Recht

Rz. 3

Die für den Ausgangsrechtsstreit maßgebliche österreichische Regelung betrifft die Besteuerung von Privatstiftungen in den Jahren 2001 und 2002.

Die Regelung über die Besteuerung von Privatstiftungen vor 2001

Rz. 4

Die Privatstiftungen wurden vom österreichischen Gesetzgeber im Jahr 1993 mit dem Privatstiftungsgesetz (BGBl. Nr. 694/1993) eingeführt.

Rz. 5

Privatstiftungen unterliegen der Körperschaftsteuer. Allerdings waren nach der bis Ende 2000 geltenden Regelung Kapitalerträge und Einkünfte aus Beteiligungen, wenn sie von einer Privatstiftung erzielt wurden, auf der Ebene der Stiftung allgemein von der Körperschaftsteuer befreit. Die Besteuerung erfolgte somit zu dem Zeitpunkt, zu dem die Einkünfte der Stiftung durch Zuwendungen der Stiftung auf die verschiedenen Begünstigten übertragen wurden. Nach § 27 Abs. 1 Z 7 des Einkommensteuergesetzes 1988 (im Folgenden: EStG 1988) wurden diese Zuwendungen beim Begünstigten als Kapitalerträge angesehen, die der Kapitalertragsteuer zu einem Satz von 25 % unterlagen.

Die Regelung über die Besteuerung von Privatstiftungen von 2001 bis 2004

Rz. 6

Die Regelung über die Besteuerung von Privatstiftungen wurde im Jahr 2001 durch das Budgetbegleitgesetz 2001 (BGBl. I Nr. 142/2000), insbesondere durch die Einführung einiger neuer Bestimmungen im Körperschaftsteuergesetz 1988 (im Folgenden: KStG 1988), geändert.

Rz. 7

Nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2001 sollte mit diesen Bestimmungen im Wesentlichen die allgemeine Körperschafts...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge