Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Biometrischer Reisepass. Digitale Fingerabdrücke. Gültigkeit. Rechtsgrundlage. Verfahren zum Erlass der Verordnung. Recht auf Achtung des Privatlebens. Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Verhältnismäßigkeit
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 Art. 1 Abs. 2; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 7-8
Beteiligte
Tenor
Die Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 444/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 beeinträchtigen könnte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Deutschland) mit Entscheidung vom 15. Mai 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Juni 2012, in dem Verfahren
Michael Schwarz
gegen
Stadt Bochum
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter M. Safjan, J. Malenovský (Berichterstatter) und U. Lõhmus sowie der Richterin A. Prechal,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Schwarz persönlich und vertreten durch Rechtsanwalt W. Nešković,
- der Stadt Bochum, vertreten durch S. Sondermann als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und A. Wiedmann als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- des Europäischen Parlaments, vertreten durch U. Rösslein und P. Schonard als Bevollmächtigte,
- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch I. Gurov und Z. Kupčová als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Martenczuk und G. Wils als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juni 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten (ABl. L 385, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 444/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 (ABl. L 142, S. 1, Berichtigung in ABl. L 188, S. 127) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2252/2004).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Schwarz und der Stadt Bochum über deren Weigerung, Herrn Schwarz einen Reisepass zu erteilen, ohne dazu seine Fingerabdrücke zur Speicherung auf diesem Reisepass zu erfassen.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Art. 2 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31) sieht vor:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
- ‚personenbezogene Daten’ alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person (‚betroffene Person’); als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind;
- ‚Verarbeitung personenbezogener Daten’ (‚Verarbeitung’) jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Speichern, die Organisation, die Aufbewahrung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Benutzung, die Weitergabe durch Übermittlung, Verbreitung oder jede andere Form der Bereitstellung, die Kombination oder die Verknüpfung sowie das Sperren, Löschen oder Vernichten;
…”
Rz. 4
Art. 7 Buchst. e der Richtlinie 95/46 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten lediglich erfolgen darf, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
…
e) die Verarbeitung ist erforderlich für die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt und dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder dem Dritten, dem die Daten übermittelt werden, übertragen wurde …”
Rz. 5
In den Erwägungsgründen 2, 3 und 8 der Verordnung Nr. 2252/2004 heißt es:
„(2) Durch eine Entschließung der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 17. Oktober 2000 [zur Ergänzung der Entschließungen vom 23. Juni 1...