Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Landwirtschaft. Schutz der geografischen Angaben und der Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. Praktik, die geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen. Wiedergabe der charakteristischen Form oder des charakteristischen Erscheinungsbilds eines Erzeugnisses, dessen Name geschützt ist. Geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) ‚Morbier’

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 510/2006; Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 Art. 13 Abs. 1 Buchst. d

 

Beteiligte

Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier

Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier

Société Fromagère du Livradois SAS

 

Tenor

Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel sind dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Verwendung einer eingetragenen Bezeichnung durch einen Dritten verbieten.

Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 ist dahin auszulegen, dass er die Wiedergabe der Form oder des Erscheinungsbilds, die bzw. das für ein Erzeugnis charakteristisch ist, das von einem eingetragenen Namen erfasst wird, verbietet, wenn diese Wiedergabe den Verbraucher zu der Annahme veranlassen kann, dass das fragliche Erzeugnis von diesem eingetragenen Namen erfasst wird. Es ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob diese Wiedergabe den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen europäischen Verbraucher irreführen kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) mit Entscheidung vom 19. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juni 2019, in dem Verfahren

Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier

gegen

Société Fromagère du Livradois SAS

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer sowie der Richter M. Ilešič, C. Lycourgos und I. Jarukaitis (Berichterstatter),

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier, vertreten durch J.-J. Gatineau, avocat,
  • der Société Fromagère du Livradois SAS, vertreten durch E. Piwnica, avocat,
  • der französischen Regierung, vertreten durch C. Mosser und A.-L. Desjonquères als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch G. Kanellopoulos, E. Leftheriotou und I.-E. Krompa als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Bianchi und I. Naglis als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. September 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2006, L 93, S. 12) und von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2012, L 343, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier (berufsübergreifender Verband zur Verteidigung des Morbier-Käses, im Folgenden: Verband) und der Société Fromagère du Livradois SAS wegen eines Verstoßes gegen die geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) „Morbier” sowie wegen unlauterer und rufausnutzender Handlungen, die Letzterer vorgeworfen werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 4 und 6 der Verordnung Nr. 510/2006, die durch die Verordnung Nr. 1151/2012 aufgehoben wurde, hieß es:

„(4) Angesichts der Vielfalt der im Handel befindlichen Erzeugnisse und der Menge der vorhandenen Produktinformationen sollte dem Verbraucher eine klar und knapp formulierte Auskunft über die Herkunft des Erzeugnisses gegeben werden, damit er die beste Wahl treffen kann.

(6) Für die Ursprungsbezeichnungen und die geografischen Angaben sollte ein gemeinschaftliches Vorgehen vorgesehen werden. Gemeinschaftliche Rahmenvorschriften über den Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen erlauben deren Entwicklung, da sie über ein einheitlicheres Vorgehen gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Hersteller derart gekennzeichneter Erzeugnisse sicherstell...

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