Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfuhrumsatzsteuer

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 30 Abs. 1, Art. 60, 71 Abs. 1 Unterabs. 2; EWGV 2913/92 Art. 215 Abs. 4

 

Beteiligte

Hauptzollamt Braunschweig

G. A

Hauptzollamt Braunschweig

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Beschluss vom 06.12.2022; Aktenzeichen 4 K 1/18; MwStR 2023, , 698)

 

Tenor

Art. 30 Abs. 1, Art. 60 und Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

sind dahin auszulegen, dass

sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der Art. 215 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 geänderten Fassung auf die Einfuhrmehrwertsteuer für die Bestimmung ihres Entstehungsorts entsprechende Anwendung findet.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Hamburg (Deutschland) mit Beschluss vom 6. Dezember 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Dezember 2022, in dem Verfahren

G. A.

gegen

Hauptzollamt Braunschweig

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin) sowie des Richters J.-C. Bonichot und der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von G. A., vertreten durch Rechtsanwalt A. Fetzer,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Behre, J. Jokubauskaite und M. Salyková als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 30 und 60 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen G. A. und dem Hauptzollamt Braunschweig (Deutschland) über die Erhebung von Mehrwertsteuer auf die vorschriftswidrige Einfuhr von Zigaretten in die Europäische Union.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2006/112

Rz. 3

Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112 unterliegen der Mehrwertsteuer u. a. folgende Umsätze:

„…

d) die Einfuhr von Gegenständen”.

Rz. 4

Art. 30 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Als ‚Einfuhr eines Gegenstands’ gilt die Verbringung eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr im Sinne des Artikels [29] des [AEU-]Vertrags befindet, in die [Europäische Union].”

Rz. 5

Art. 60 in Titel V („Ort des steuerbaren Umsatzes”) Kapitel 4 („Ort der Einfuhr von Gegenständen”) der Richtlinie sieht vor:

„Die Einfuhr von Gegenständen erfolgt in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt befindet, in dem er in die [Union] verbracht wird.”

Rz. 6

Art. 70 in Titel VI („Steuertatbestand und Steueranspruch”) Kapitel 4 („Einfuhr von Gegenständen”) der Richtlinie 2006/112 lautet:

„Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Einfuhr des Gegenstands erfolgt.”

Rz. 7

Im selben Kapitel 4 bestimmt Art. 71 der Richtlinie 2006/112:

„(1) Unterliegen Gegenstände vom Zeitpunkt ihrer Verbringung in die [Union] einem Verfahren oder einer sonstigen Regelung im Sinne der Artikel 156, 276 und 277, der Regelung der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben oder dem externen Versandverfahren, treten Steuertatbestand und Steueranspruch erst zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Gegenstände diesem Verfahren oder dieser sonstigen Regelung nicht mehr unterliegen.

Unterliegen die eingeführten Gegenstände Zöllen …, treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem Tatbestand und Anspruch für diese Abgaben entstehen.

(2) In den Fällen, in denen die eingeführten Gegenstände keiner der Abgaben im Sinne des Absatzes 1 Unterabsatz 2 unterliegen, wenden die Mitgliedstaaten in Bezug auf Steuertatbestand und Steueranspruch die für Zölle geltenden Vorschriften an.”

Zollkodex

Rz. 8

In Art. 202 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 (ABl. 2000, L 311, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex) hieß es:

„(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht,

a) wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der [Union] verbracht wird …

Im Sinne dieses Artikels ist vorschriftswidriges Verbringen jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Artikel 38 bis 41 und 177 zweiter Gedankenstrich.

(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht wird.

(3) Zollschuldner sind:

  • die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in d...

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