Entscheidungsstichwort (Thema)
Freier Dienstleistungsverkehr. System der Beihilfe für Beamte im Krankheitsfall. Heilkur in einem anderen Mitgliedstaat. Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung, Fahrtkosten, Kurtaxe und ärztlichen Schlussbericht. Voraussetzungen für die Kostenübernahme. Vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit. Kriterien. Rechtfertigung
Beteiligte
Tenor
1. Die Artikel 49 EG und 50 EG sind so auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, die die Übernahme von Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung, Fahrtkosten, Kurtaxe und ärztlichen Schlussbericht bei einer in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Heilkur von einer vorherigen Anerkennung der Beihilfefähigkeit abhängig macht, die nur dann erteilt wird, wenn nach amts- oder vertrauensärztlichem Gutachten die geplante Heilkur wegen wesentlich größerer Erfolgsaussichten in diesem anderen Mitgliedstaat zwingend notwendig ist.
2. Die Artikel 49 EG und 50 EG sind so auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen grundsätzlich nicht entgegenstehen, die die Übernahme von Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung, Fahrtkosten, Kurtaxe und ärztlichen Schlussbericht sowohl bei einer in diesem Mitgliedstaat wie auch bei einer in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Heilkur davon abhängig macht, dass der Kurort im Heilkurorteverzeichnis aufgeführt ist. Es obliegt jedoch dem nationalen Gericht, sich zu vergewissern, dass die Voraussetzungen, an die die Eintragung eines Heilkurorts in ein solches Verzeichnis eventuell geknüpft ist, objektiver Art sind und nicht die Wirkung haben, die Leistung von Diensten zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Leistung von Diensten innerhalb des betreffenden Mitgliedstaats zu erschweren.
3. Die Artikel 49 EG und 50 EG sind so auszulegen, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die Übernahme von Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung, Fahrtkosten, Kurtaxe und ärztlichen Schlussbericht bei einer in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Heilkur ausgeschlossen ist, wenn der Betroffene nicht vor Antritt der fraglichen Kur den Abschluss des gerichtlichen Verfahrens abgewartet hat, das er gegen eine Entscheidung angestrengt hat, mit der die Anerkennung der Beihilfefähigkeit dieser Aufwendungen abgelehnt worden ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Verwaltungsgericht Sigmaringen (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Ludwig Leichtle
gegen
Bundesanstalt für Arbeit
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 49 EG und 50 EG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters C. W. A. Timmermans in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter A. La Pergola (Berichterstatter) und S. von Bahr,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: R. Grass,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der spanischen Regierung, vertreten durch L. Fraguas Gadea als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch P. Ormond als Bevollmächtigte im Beistand von S. Moore, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Michard und C. Schmidt als Bevollmächtigte,
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juli 2003,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat mit Beschluss vom 28. November 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Januar 2002, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 49 EG und 50 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Leichtle und der Bundesanstalt für Arbeit wegen deren Weigerung, die Kosten für eine Heilkur zu übernehmen, die der Kläger des Ausgangsverfahrens in Italien durchzuführen beabsichtigte.
Nationales Recht
3
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen in der Fassung vom 10. Juli 1995 (GMBl. S. 470), zuletzt geändert am 20. Februar 2001 (GMBl. S. 186) (Beihilfevorschriften, im Folgenden: BhV), regelt die Gewährung von Beihilfen an Bundesbeamte und Richter im Bundesdienst sowie Versorgungsempfänger des Bundes in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen.
4
Nach § 1 BhV „ergänzen [die Beihilfen] die Eigenvorsorge, die aus den laufenden Bezügen zu bestreiten ist”, da vorausgesetzt wird, dass die Betroffenen eine private Krankenversicherung abgeschlossen haben.
5
Die Kostenübernahme durch die private Versicherung oder mittels der von den BhV vorgesehenen Beihilfen geschieht also im Wege der Erstattung der verauslagten Beträge an die Betroffenen.
6
§ 8 BhV – Beihilfefähige Aufwendungen bei Heilkur – sieht vor:
„…
(2) Aus Anlass einer Heilkur sind beihilfefähig die Aufwendungen
- nach § 6 Abs...