Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Verkehr. Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft. Keine rechtliche Unabhängigkeit des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur. Fehlen einer leistungsabhängigen Entgeltregelung. Unvollständige Umsetzung
Normenkette
Richtlinie 91/440/EWG Art. 6 Abs. 3; Richtlinie 2001/14/EG Art. 14 Abs. 2; Richtlinie 2001/14/EG Art. Art. 11
Beteiligte
Tenor
1. Dadurch, dass die Französische Republik nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um zu gewährleisten, dass die Stelle, der die Wahrnehmung der in Anhang II der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft in der durch die Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 geänderten Fassung aufgezählten wesentlichen Funktionen übertragen wird, gemäß Art. 6 Abs. 3 und Anhang II dieser Richtlinie sowie Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur in der durch die Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 geänderten Fassung von dem Unternehmen unabhängig ist, das die Eisenbahnverkehrsdienstleistungen erbringt, und dadurch, dass sie innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um Art. 11 der Richtlinie 2001/14 nachzukommen, hat sie gegen die Verpflichtungen verstoßen, die ihr nach diesen Vorschriften obliegen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Europäische Kommission und die Französische Republik tragen ihre eigenen Kosten.
4. Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 29. Dezember 2010,
Europäische Kommission, vertreten durch J.-P. Keppenne und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, M. Perrot und S. Menez als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Königreich Spanien, vertreten durch S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), E. Levits und J.-J. Kasel sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2012,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Dezember 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klageschrift beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl. L 237, S. 25) in der durch die Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 (ABl. L 75, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/440) und aus Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. L 75, S. 29) in der durch die Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 (ABl. L 315, S. 44) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/14) verstoßen hat, dass sie
- nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Stelle, die mit der Ausübung einer wesentlichen Funktion nach Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440 betraut ist, von dem Unternehmen unabhängig ist, das die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringt,
- keine leistungsabhängige Entgeltregelung gemäß Art. 11 der Richtlinie 2001/14 erlassen hat und
- kein System von Anreizen wie das in Art. 6 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2001/14 vorgesehene eingeführt hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 2
Im Jahr 2001 erließen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union drei Richtlinien, um den Eisenbahnverkehr durch eine schrittweise Öffnung für den Wettbewerb auf europäischer Ebene neu zu beleben, nämlich die Richtlinie 2001/12, die Richtlinie 2001/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen (ABl. L 75, S. 26) und die Richtlinie 2001/14 (im Folgenden zusammen: erstes Eisenbahnpaket).
Richtlinie 91/440
Rz. 3
Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 91/440 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, ...