Entscheidungsstichwort (Thema)
Kartelle. Subjektive Voraussetzungen für die Verhängung einer Geldbuße. Auswirkungen eines Rechtsrats oder einer Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde. Befugnis einer nationalen Wettbewerbsbehörde, eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union festzustellen, ohne eine Geldbuße zu verhängen
Normenkette
AEUV Art. 101; Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Art. 5, 23 Abs. 2
Beteiligte
ABX Logistics (Austria) GmbH |
Alpentrans Spedition und Transport GmbH |
Logwin Invest Austria GmbH |
DHL Express (Austria) GmbH |
G. Englmayer Spedition GmbH |
Express-Interfracht Internationale Spedition GmbH |
A. Ferstl Speditionsgesellschaft mbH |
Spedition, Lagerei und Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen Alois Herbst GmbH & Co KG |
Johann Huber Spedition und Transportgesellschaft mbH |
Kapeller Internationale Spedition GmbH |
Keimelmayr Speditions- u. Transport GmbH |
Maximilian Schludermann als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Kubicargo Speditions GmbH |
Lagermax Internationale Spedition Gesellschaft mbH |
Johann Ogris Internationale Transport- und Speditions GmbH |
Logwin Road + Rail Austria GmbH |
Internationale Spedition Schneckenreither Gesellschaft mbH |
Leopold Schöffl GmbH & Co KG |
„Spedpack”-Speditions- und Verpackungsgesellschaft mbH |
Spedition Anton Wagner GmbH |
Wildenhofer Spedition und Transport GmbH |
Marehard u. Wuger Internat. Speditions- u. Logistik GmbH |
Tenor
1. Art. 101 AEUV ist dahin auszulegen, dass ein Unternehmen, das gegen diese Bestimmung verstoßen hat, nicht der Verhängung einer Geldbuße entgehen kann, wenn der Zuwiderhandlung ein Irrtum dieses Unternehmens über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens zugrunde liegt, der auf dem Inhalt eines Rechtsrats eines Anwalts oder einer Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde beruht.
2. Art. 101 AEUV sowie die Art. 5 und 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln sind dahin auszulegen, dass sich die nationalen Wettbewerbsbehörden, falls das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV erwiesen ist, in Ausnahmefällen darauf beschränken können, diese Zuwiderhandlung festzustellen, ohne eine Geldbuße zu verhängen, wenn das betreffende Unternehmen an einem nationalen Kronzeugenprogramm teilgenommen hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 5. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Dezember 2011, in dem Verfahren
Bundeswettbewerbsbehörde,
Bundeskartellanwalt
gegen
Schenker & Co AG,
ABX Logistics (Austria) GmbH,
Alpentrans Spedition und Transport GmbH,
Logwin Invest Austria GmbH,
DHL Express (Austria) GmbH,
G. Englmayer Spedition GmbH,
Express-Interfracht Internationale Spedition GmbH,
A. Ferstl Speditionsgesellschaft mbH,
Spedition, Lagerei und Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen Alois Herbst GmbH & Co KG,
Johann Huber Spedition und Transportgesellschaft mbH,
Kapeller Internationale Spedition GmbH,
Keimelmayr Speditions- u. Transport GmbH,
Koch Spedition GmbH,
Maximilian Schludermann als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Kubicargo Speditions GmbH,
Kühne + Nagel GmbH,
Lagermax Internationale Spedition Gesellschaft mbH,
Morawa Transport GmbH,
Johann Ogris Internationale Transport- und Speditions GmbH,
Logwin Road + Rail Austria GmbH,
Internationale Spedition Schneckenreither Gesellschaft mbH,
Leopold Schöffl GmbH & Co KG,
„Spedpack”-Speditions- und Verpackungsgesellschaft mbH,
Johann Strauss GmbH,
Thomas Spedition GmbH,
Traussnig Spedition GmbH,
Treu SpeditionsgesmbH,
Spedition Anton Wagner GmbH,
Gebrüder Weiss GmbH,
Wildenhofer Spedition und Transport GmbH,
Marehard u. Wuger Internat. Speditions- u. Logistik GmbH,
Rail Cargo Austria AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Kammerpräsidentin M. Berger, der Richter E. Juhász (Berichterstatter), U. Lõhmus, E. Levits, A. Ó Caoimh, J.-C. Bonichot, J.-J. Kasel, M. Safjan und D. Šváby sowie der Richterin A. Prechal,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Bundeswettbewerbsbehörde, vertreten durch T. Thanner, K. Frewein und N. Harsdorf Enderndorf als Bevollmächtigte,
- des Bundeskartellanwalts, vertreten durch A. Mair als Bevollmächtigten,
- der Schenker & Co AG, vertreten durch die Rechtsanwälte A. Reidlinger und F. Stenitzer,
- der AB...