Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizügigkeit und freier Aufenthalt im Gebiet der Europäischen Union. Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Voraussetzung des tatsächlichen Aufenthalts im Inland
Beteiligte
Office national de l'emploi |
Tenor
Die Freizügigkeit und die Aufenthaltsfreiheit, die jedem Unionsbürger durch Artikel 18 EG zuerkannt werden, stehen einer Aufenthaltsklausel der im Ausgangsverfahren angewandten Art nicht entgegen, die für einen über 50 Jahre alten Arbeitslosen gilt, der von der Verpflichtung befreit ist, als Voraussetzung für die Wahrung seines Anspruchs auf eine Leistung bei Arbeitslosigkeit seine Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt nachzuweisen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht mit Entscheidung des Tribunal du travail Brüssel (Belgien) vom 8. September 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 23. September 2004, in dem Verfahren
Gérald De Cuyper
gegen
Office national de l'emploi
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas und J. Malenovský, der Richterin N. Colneric, der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter G. Arestis, A. Borg Barthet, M. Ilešič und J. Klučka,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn De Cuyper, vertreten durch A. de le Court und N. Dugardin, avocats,
- des Office national de l'emploi, vertreten durch R. Dupont und M. Willemet, avocats,
- der belgischen Regierung, vertreten durch E. Dominkovits und M. Wimmer als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und O. Christmann als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Moore, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Martin und M. Condou als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Februar 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 17 EG und 18 EG sowie der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten und durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 209, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits von G. De Cuyper (im Folgenden: Kläger) gegen das Office national de l'emploi (im Folgenden: ONEM), bei dem es um den Ausschluss des Betroffenen vom Bezug von Leistungen bei Arbeitslosigkeit ab 1. April 1999 geht.
Rechtlicher Rahmen
Das Gemeinschaftsrecht
3 Artikel 1 Buchstabe a Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:
„Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert:
a) ‚Arbeitnehmer’ oder ‚Selbständiger’: jede Person,
i) die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist”.
4 Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung lautet:
„Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.”
5 Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
„Die Geldleistungen bei Invalidität, Alter oder für die Hinterbliebenen, die Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten und die Sterbegelder, auf die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten Anspruch erhoben worden ist, dürfen, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, nicht deshalb gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.”
6 Artikel 69 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:
„(1) Ein vollarbeitsloser Arbeitnehmer oder Selbständiger, der die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats erfüllt und sich in einen oder mehrer...