Entscheidungsstichwort (Thema)
Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zuständiges Gericht. Besondere Zuständigkeiten, ‚wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden’ und ‚wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden’
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 44/2001
Beteiligte
ÖFAB, Östergötlands Fastigheter AB |
Tenor
1. Der Begriff „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung” in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er Klagen wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, erfasst, die von einem Gläubiger einer Aktiengesellschaft erhoben werden, um zum einen ein Mitglied des Verwaltungsrats dieser Gesellschaft und zum anderen einen Anteilseigner der Gesellschaft für deren Verbindlichkeiten haftbar zu machen, weil sie es zugelassen haben, dass die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb weiterführt, obwohl sie unterkapitalisiert war und einem Liquidationsverfahren unterworfen werden musste.
2. Der Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht” in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass dieser Ort bei Klagen, mit denen ein Mitglied des Verwaltungsrats und ein Anteilseigner einer Aktiengesellschaft für deren Verbindlichkeiten haftbar gemacht werden sollen, an dem Ort belegen ist, an dem der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft und die damit verbundene finanzielle Lage anknüpfen.
3. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist es für die Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 zuständigen Gerichts ohne Bedeutung, dass die fragliche Forderung vom ursprünglichen Forderungsinhaber abgetreten wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hovrätt för Nedre Norrland (Schweden) mit Entscheidung vom 23. März 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 26. März 2012, in dem Verfahren
ÖFAB, Östergötlands Fastigheter AB
gegen
Frank Koot,
Evergreen Investments BV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter) sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász, D. Šváby und C. Vajda,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der ÖFAB, Östergötlands Fastigheter AB, vertreten durch M. André,
- von F. Koot und Evergreen Investments BV, vertreten durch K. Crafoord, B. Rundblom Andersson und J. Conradsson, advokater,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und K. Ahlstrand-Oxhamre als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch S. Chala als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Beeko als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und C. Tufvesson als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ÖFAB, Östergötlands Fastigheter AB (im Folgenden: ÖFAB), mit Sitz in Schweden einerseits und Herrn Koot und der Evergreen Investments BV (im Folgenden: Evergreen), die in den Niederlanden ansässig sind, andererseits über deren Weigerung, für die Verbindlichkeiten der Copperhill Mountain Lodge AB (im Folgenden: Copperhill), einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Schweden, einzustehen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Verordnung Nr. 44/2001 enthält Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.
Rz. 4
Die Erwägungsgründe 8, 11 und 12 dieser Verordnung lauten:
„(8) Rechtsstreitigkeiten, die unter diese Verordnung fallen, müssen einen Anknüpfungspunkt an das Hoheitsgebiet eines der Mitgliedstaaten aufweisen, die durch diese Verordnung gebunden sind. Gemeinsame Zuständigkeitsvorschriften sollten demnach grundsätzlich dann Anwendung finden, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem dieser Mitgliedstaaten hat.
…
(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit mu...