Entscheidungsstichwort (Thema)
Freier Dienstleistungsverkehr. Ausstrahlung von Fernsehsendungen. Richtlinien 89/552/EWG und 97/36/EG. Begriffe ‚Teleshopping’ und ‚Fernsehwerbung’. Gewinnspiel
Beteiligte
Österreichischer Rundfunk |
Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) |
Österreichischer Rundfunk (ORF) |
Tenor
Art. 1 der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der durch die Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Sendung bzw. ein Teil einer Sendung, in der oder dem den Zuschauern vom Fernsehveranstalter die Möglichkeit angeboten wird, sich durch die unmittelbare Anwahl von Mehrwert-Telefonnummern und damit entgeltlich an einem Gewinnspiel zu beteiligen,
- dann unter die Definition des Teleshoppings in Art. 1 Buchst. f fällt, wenn die Sendung bzw. dieser Teil der Sendung unter Berücksichtigung des Zwecks der Sendung, in der das Spiel stattfindet, der Bedeutung des Spiels innerhalb der Sendung – bezogen auf die Zeit, die erhofften wirtschaftlichen Ergebnisse im Verhältnis zu den von der Sendung insgesamt erwarteten Ergebnissen – sowie der Ausrichtung der den Kandidaten gestellten Fragen ein tatsächliches Dienstleistungsangebot ist;
- dann unter die Definition der Fernsehwerbung in Art. 1 Buchst. c fällt, wenn das Spiel aufgrund seines Ziels und seines Inhalts sowie der Bedingungen, unter denen die Gewinne präsentiert werden, eine Äußerung enthält, die einen Anreiz für die Zuschauer schaffen soll, die als Gewinne präsentierten Waren und Dienstleistungen zu erwerben, oder die die Vorzüge der Programme des betreffenden Veranstalters mittelbar in Form der Eigenwerbung bewerben soll.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundeskommunikationssenat (Österreich) mit Entscheidung vom 4. April 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 27. April 2006, in dem Verfahren
Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria)
gegen
Österreichischer Rundfunk (ORF)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász, J. Malenovský (Berichterstatter) und T. von Danwitz,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria), vertreten durch M. Ogris als Bevollmächtigten,
- des Österreichischen Rundfunks (ORF), vertreten durch Rechtsanwalt S. Korn,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von M. Fiorilli, avvocato dello Stato,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und J. Marques Lopes als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch T. Harris und M. Hoskins als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun und E. Montaguti als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Mai 2007
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298, S. 23) in der durch die Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 (ABl. L 202, S. 60) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/552).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) (im Folgenden: KommAustria) und dem Österreichischen Rundfunk (im Folgenden: ORF) über die Qualifizierung eines im Rahmen der vom ORF ausgestrahlten Sendung „Quiz-Express” veranstalteten Gewinnspiels als „Teleshopping” oder „Fernsehwerbung”.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Die Richtlinie 89/552 regelt nach ihrem 13. Erwägungsgrund
„das notwendige Mindestmaß, um den freien Sendeverkehr zu verwirklichen. …”
4 Der 27. Erwägungsgrund dieser Richtlinie lautet:
„Um sicherzustellen, dass die Interessen der Verbraucher als Zuschauer umfassend und angemessen geschützt werden, muss die Fernsehwerbung einer Reihe von Mindestnormen und Kriterien unterworfen werden; die Mitgliedstaaten müssen das Recht behalten, ausführlichere oder strengere Bestimmungen und in bestimmten Fällen unterschiedliche Bedingungen für die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter einzuführen.”
5 Art. 1 der Richtlinie sieht vor:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet:
…
c) ‚Fernsehwerbung’ jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Fernsehen von einem öffentlich-rechtlichen oder privaten Veranstalter entweder gegen...