Entscheidungsstichwort (Thema)
Fusion, Spaltung, Einbringung von Unternehmensteilen, Austausch von Anteilen
Leitsatz (amtlich)
Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die die Gewährung von Steuervergünstigungen bei einer Spaltung gemäß den Vorschriften dieser Richtlinie an die Voraussetzung knüpft, dass der entsprechende Antrag innerhalb einer bestimmten Frist gestellt wird. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die Modalitäten der Anwendung dieser Frist, insbesondere die Bestimmung des Fristbeginns, hinreichend genau, klar und vorhersehbar sind, damit der Steuerpflichtige seine Rechte kennen und die nach dieser Richtlinie vorgesehenen Steuervergünstigungen erhalten kann.
Normenkette
EWGRL 434/90 Art. 11 Abs. 1
Beteiligte
Verfahrensgang
Upravno sodisce (Republik Slowenien) (Urteil vom 08.12.2010; ABl. EU 2011, Nr. C 80/22) |
Tatbestand
„Rechtsangleichung ‐ Richtlinie 90/434/EWG ‐ Gemeinsames Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen ‐ Art. 11 Abs. 1 Buchst. a ‐ Nationale Rechtsvorschriften, die die Gewährung von Steuervergünstigungen an eine Genehmigung knüpfen ‐ Genehmigungsantrag, der mindestens 30 Tage vor Durchführung der vorgesehenen Transaktion gestellt werden muss“
In der Rechtssache C-603/10
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Upravno sodišče Republike Slovenije (Slowenien) mit Entscheidung vom 8. Dezember 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Dezember 2010, in dem Verfahren
Pelati d.o.o.
gegen
Republik Slowenien
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters E. Levits in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter J.-J. Kasel (Berichterstatter) und M. Safjan,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Pelati d.o.o., vertreten durch A. Jarkovič, odvetnik,
‐ der slowenischen Regierung, vertreten durch V. Klemenc als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und M. Zebre als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (ABl. L 225, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Pelati d.o.o. (im Folgenden: Pelati) und der Republik Slowenien wegen der Zurückweisung eines Antrags auf Gewährung von Steuervergünstigungen für eine Unternehmensspaltung durch die slowenische Steuerverwaltung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/434, der zu Abschnitt V („Schlussbestimmungen") gehört, lautet in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung:
„Ein Mitgliedstaat kann die Anwendung der Titel II, III und IV ganz oder teilweise versagen oder rückgängig machen, wenn eine Fusion, Spaltung, Einbringung von Unternehmensteilen oder ein Austausch von Anteilen
a) als hauptsächlichen Beweggrund oder als einen der hauptsächlichen Beweggründe die Steuerhinterziehung oder -umgehung hat. Vom Vorliegen eines solchen Beweggrundes kann ausgegangen werden, wenn die Fusion, Spaltung, Einbringung von Unternehmensteilen oder der Austausch von Anteilen nicht auf vernünftigen wirtschaftlichen Gründen ‐ insbesondere der Umstrukturierung oder der Rationalisierung der beteiligten Gesellschaften ‐ beruht“.
Nationales Recht
Rz. 4
Art. 47 des Körperschaftsteuergesetzes (Zakon o davku od dohodkov pravnih oseb, Uradni list RS, Nr. 17/05, im Folgenden: ZDDPO-1) sieht vor, dass „der einbringenden Gesellschaft, der übernehmenden Gesellschaft und dem Gesellschafter der einbringenden Gesellschaft nach den Art. 41 bis 47 [dieses Gesetzes] auf der Grundlage einer von der Steuerverwaltung bei Vorliegen der in diesen Vorschriften genannten Voraussetzungen erteilten Genehmigung Steuervergünstigungen gewährt werden".
Rz. 5
Das Besteuerungsverfahren bei Fusionen oder Spaltungen von Gesellschaften ist im Steuerverfahrensgesetz (Zakon o davčnem postopku, Uradni list RS, Nr. 25/05, im Folgenden: ZDavP-1) festgelegt.
Rz. 6
Nach Art. 345 Abs. 2 ZDavP-1 reicht der Steuerpflichtige seine Steuererklärung spätestens 60 Tage na...